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Der Herr des Traumreichs

Der Herr des Traumreichs

Titel: Der Herr des Traumreichs
Autoren: Sara Douglass
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PROLOG
    Der Hund hielt unvermittelt inne und hob den Kopf. Ein Zittern überlief ihn. Da. Noch einmal. Die stumme Pfeife, auf die er schon als Welpe zu hören gelernt hatte. Nun folgte er ohne Zögern dem Ruf, der nur für Hundeohren zu vernehmen war, und jagte in langen Sätzen auf einem schmalen Pfad zwischen den Bäume entlang.
    Die anderen Hunde in der Meute kannten das Signal nicht und schenkten ihm deshalb auch keine Beachtung.
    Maximilian brachte seine braune Stute zum Stehen und dachte nach. Warum war Boroleas einfach so davongelaufen? Die Stute tänzelte unruhig, sie wollte hinter dem Hund her.
    Maximilian entspannte sich und lächelte. Vielleicht hatte Boroleas eine Hirschfährte gewittert? Der Hund hatte sich bestens bewährt, seit er, das Geschenk eines unbekannten Gönners zum vierzehnten Geburtstag des Prinzen, vor sechs Monden an den Hof gekommen war, und Maximilian vertraute seinem gesunden Gespür. Aber er zögerte immer noch. Rasch sah er sich um. Der Rest der Jagdgesellschaft hatte den Pferden die Sporen gegeben und war hinter der Meute hergesprengt, die sich auf demselben Pfad nach Norden entfernte. Auf den Prinzen hatte in der allgemeinen Aufregung niemand weiter geachtet.
    Maximilian hatte sich entschieden. Sein Lächeln vertiefte sich, er wendete sein Pferd und ritt hinter Boroleas her. Mag die Meute den Hasen hetzen, dachte er. Wenn ich den Hirsch stelle, habe ich mir bei dieser Jagd einen Ehrenplatz verdient.

    Er lenkte seine Stute unter die Bäume, wo kein Sonnenlicht hinkam. Tiefe Dämmerung umfing ihn. Das Pferd war schnell und willig und hatte bald so weit aufgeholt, daß der Prinz seinen Hund wie einen schwachen Schatten zwischen den Bäumen dahinrasen sah.
    Die Witterung muß ziemlich stark sein, dachte er, wenn Boroleas ihr so zielstrebig folgt. Vom Jagdfieber erfaßt, beugte er sich tiefer über den Hals der Stute und trieb sie zu noch größerer Schnelligkeit an.
    Hinter sich hörte er nur das Rauschen des Waldes. Von der Jagdgesellschaft hatte ihn bisher noch niemand vermißt.
    Boroleas kläffte aufgeregt und sprang auf eine kleine Lichtung.
    Hier fiel ein wenig mattes Sonnenlicht durch die Zweige.
    Maximilian war überzeugt, daß der Hund den Hirsch endlich gestellt hatte, und feuerte seine Stute weiter an. Doch plötzlich scheute das Tier und tat einen Satz zur Seite, dem Prinzen entglitten die Zügel, und er stürzte in hohem Bogen aus dem Sattel.
    Er landete so hart auf dem Grasboden, daß ihm die Luft wegblieb und die Walderde zwischen den Zähnen knirschte.
    Einen Augenblick lang lag er ganz still, dann spuckte er die Bröckchen aus, wälzte sich langsam auf den Rücken und blinzelte schuldbewußt in die Sonne. »Vater wird mir ordentlich etwas erzählen«, murmelte er, richtete sich vorsichtig auf und biß die Zähne zusammen, als er seine aufgeschürften Hände sah.
    Dann hob er den Blick, um nach seinem Pferd zu suchen –
    und die Furcht vor der väterlichen Strafe verflog.
    Eine Schar schweigender Reiter hatte ihn umringt. Der letzte tauchte soeben aus den Schatten zwischen den Bäumen auf.

    Boroleas streifte seinen Herrn nur mit einem gleichgültigen Blick. Er saß ganz ruhig neben einem Reiter, der achtlos ein Pfeifchen an einem Band hin und her schwenkte.
    »Was wollt Ihr?« fragte Maximilian leise und ging auf die Knie. Alle Reiter trugen Harnische aus braunem Leder und Helme aus mattem Eisen; vor Mund und Kinn hatten sie schwarze Tücher gebunden, so daß sie nicht zu erkennen waren. Er entdeckte weder Rangabzeichen noch Wappen.
    Alle sahen ihn mit kalten, starren Augen an.
    Zum ersten Mal in seinem Leben bekam es Maximilian wirklich mit der Angst zu tun. Sein Vater hatte dafür gesorgt, daß sein einziger Sohn, der Erbe des Throns von Escator, wohlbehütet aufwuchs – zu behütet für dessen Geschmack; daher auch seine freudige Erregung angesichts der Möglichkeit, ganz allein einen Hirsch zur Strecke zu bringen.
    Nun hätte er viel lieber sicher zu Hause gesessen, um sich von seiner Mutter liebevoll das schwarze Haar aus der Stirn streichen und von seinem Vater eine weitere Lektion in der Kunst des Herrschens erteilen zu lassen.
    Maximilian stand vorsichtig auf. Er bewegte sich sehr langsam.
    Sein kühnes Adlergesicht verriet nichts von seiner Furcht.
    Einer der Reiter trieb sein Pferd nach vorn. »Nun, mein Prinz«, fragte er mit hartem fremdländischem Akzent und hohntriefender Stimme. »Habt Ihr Euch etwa verirrt?«
    Maximilian trat einen kleinen Schritt
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