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Der Herr des Traumreichs

Der Herr des Traumreichs

Titel: Der Herr des Traumreichs
Autoren: Sara Douglass
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zurückgezuckt, noch hatte er die Hand der Patientin losgelassen, die zwischen ihnen auf dem Stuhl saß.
    Joseph berührte die Frau sachte an der Schulter. »Ich werde Euch ein Pulver aus Grinnock und Juminar mischen, Miriam, das löst Ihr viermal am Tag in Milch auf und nehmt es ein. Die Milch nicht vergessen, sonst greift das Mittel Euren Magen an.«
    Miriam, eine kleine, zierliche Frau in mittleren Jahren, stand seufzend auf. Garth ließ ihre Hand los und trat zurück. Es mochte ihn erleichtern, der Frau nicht mehr so nahe zu sein, aber man sah es ihm nicht an.
    »Die Schmerzen werden stärker«, sagte sie. Joseph wich ihrem Blick nicht aus.
    »Ich will Euch nichts vormachen, Miriam. Mit Grinnock und Juminar kann ich Euch das Schlimmste ersparen, aber in Eurem Körper wächst eine zehrende Geschwulst, und ich kann nicht verhindern, daß sie sich ausbreitet.«
    Sie sah ihn aus schwarzen Augen angstvoll an. »Nicht einmal damit…?« Ihr Blick richtete sich auf seine Hände.

    Joseph faltete sie vor der Brust. »Es tut mir leid, Miriam. In Eurem Fall kann ich wenig mehr tun, als Euch Linderung zu verschaffen.«
    Miriams Augen füllten sich mit Tränen, und Garth trat unaufgefordert vor und griff abermals nach ihrer Hand. Er besaß die starke Einfühlungsgabe seines Vaters, und jetzt strahlten aus seinen Zügen die gleiche Anteilnahme und das gleiche Verständnis wie bei Joseph.
    Miriam blinzelte überrascht, dann faßte sie sich und überließ sich dankbar seiner Berührung. »Ihr seid ein guter Junge«, sagte sie leise und streichelte seine Hand. »Hört auf Euren Vater, von ihm könnt Ihr vieles lernen.«
    Sie wandte sich ab und griff nach ihrem Mantel.
    Joseph half ihr hinein und spürte erschrocken, wie zerbrechlich ihre Arme und ihre Schultern waren. Zum Glück verbarg sein dichter dunkler Bart seine Gesichtszüge. Trotz seiner langjährigen Erfahrung war er jedesmal wieder erschüttert, wenn er sich einer Krankheit gegenübersah, gegen die er machtlos war. Obendrein war Miriam ihre Nachbarin und eine gute Freundin der Familie. Es würde nicht leicht werden, sie sterben zu sehen. »Garth bringt Euch die Arznei heute nachmittag vorbei, Miriam. Sagt ihm Bescheid, falls Ihr sonst noch etwas braucht.«
    Miriam nickte, wandte sich ab und verließ, mit mageren Fingern den Mantel vor der Brust zusammenhaltend, den Behandlungsraum. Ihre geflochtenen Sandalen scharrten leise auf dem Steinboden.
    Als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, sah Joseph seinen Sohn an. »Geht es dir besser, Garth?«
    Garth wandte ihm den Rücken zu und machte sich mit den Instrumenten zu schaffen, die neben ihm auf einem Tablett lagen. Er war ein schlaksiger Junge, hochgewachsen und knochig, aber mit warmen braunen Augen, einem offenen, freundlichen Gesicht und einem dichten Lockenschopf, der so dunkelbraun war wie der Bart seines Vaters. An seinem zwölften Geburtstag vor inzwischen fast vier Jahren hatte er bei Joseph mit der siebenjährigen Ausbildung zum Heiler begonnen.
    Er war wie geschaffen für diesen Beruf. Sein Vater war nicht nur selbst ein Meister der Heilkunst, er hatte dem Sohn auch die ›heilenden Hände‹ vererbt. Schon seit Generationen unterstützten die Heiler der Baxtor-Familie ihr Wissen um Krankheiten und verschiedene Arzneikräuter mit ihren empfindsamen Wunderhänden. Die ›Hände‹ besaßen keine Heilkraft im eigentlichen Sinn, aber sie halfen, Krankheiten zu verstehen, Schmerzen zu lindern und die Genesung zu fördern.
    Bei Garth war die Gabe so stark ausgeprägt wie seit vielen Generationen nicht mehr. Joseph war überzeugt, daß aus ihm eines Tages ein berühmter Arzt werden würde.
    Allerdings übertrugen die ›Hände‹ auch die Ausstrahlung der bösartigen Geschwülste, unter denen manche Menschen litten.
    Joseph wußte, wie elend Garth sich fühlen mußte, nachdem er mehr als fünfzehn Minuten lang Miriams Hand gehalten hatte.
    Die Gabe war ein Himmelsgeschenk, aber wenn sie sich im Alter von neun oder zehn Jahren erstmals gezeigt hatte, brauchte ein junger Baxtor manchmal Jahre, um die Schmerzen und die Todesängste zu bewältigen, die nur allzuoft in seinen eigenen Körper strömten, wenn er einen Kranken berührte.
    »So schlimm wie heute war es noch nie«, stieß Garth endlich hervor und wandte sich seinem Vater zu. Joseph sah, daß Garths Gesicht ganz bleich war.
    Er trat zu seinem Sohn und legte ihm den Arm um die Schultern. »Miriams Geschwulst ist auch besonders bösartig, Garth.« Er
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