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Der Herr des Traumreichs

Der Herr des Traumreichs

Titel: Der Herr des Traumreichs
Autoren: Sara Douglass
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zögerte. »Ach, könnte ich dir nur sagen, daß du dich an den Tod gewöhnen wirst, daß mit der Zeit eine gewisse Abhärtung eintritt. Aber dem ist nicht so. Du mußt lernen, dich damit abzufinden.«
    »Genug damit!« Er zwang sich zu einem fröhlicheren Tonfall. »Mutter hat sicher schon Wasser aufgesetzt und uns Tee gekocht. Komm! Das Pulver können wir auch in einer Stunde noch mischen. Das Lächeln deiner Mutter wird uns jetzt beiden guttun.«
    Mona hatte für ihren Mann und ihren Sohn nicht nur Tee gekocht, sondern holte auch frische Rosinenbrötchen aus dem Ofen, als die beiden aus dem Behandlungszimmer in die geräumige Küche traten. Sie warf Joseph einen fragenden Blick zu, denn sie wußte, daß Miriam in der Sprechstunde gewesen war, dann wanderte ihr Blick zu Garth.
    Der Junge lächelte ihr zu, aber Nona sah an seiner Augenpartie, daß ihn etwas bedrückte. Bei Joseph hatte sie sich an die zarten Fältchen gewöhnt, aber daß sie nun auch bei Garth auftauchten, traf sie hart. Sie wandte sich dem Ofen und der Teekanne zu und wünschte sich nicht zum ersten Mal, sie hätte ein zweites Kind austragen können, ein Kind, das sie nicht an die ›Hände‹ und an den Beruf des Heilers verlieren müßte, der so hohe Ansprüche stellte.
    Und als wären diese Sorgen nicht drückend genug, lag da noch der versiegelte Brief, den ein Kurier vor kurzem abgegeben hatte.
    »Endlich«, lächelte sie und stellte die Teekanne auf den Tisch. »Du hast Garth viel zu lange festgehalten, Joseph.
    Seit dem Frühstück sind Stunden vergangen. Setzt euch und eßt.«
    Joseph und Garth nahmen schweigend Platz und ließen sich von Nona umsorgen. Unter der warmen Frühlingssonne und bei den vertrauten Geräuschen, die durch die offenen Fenster von der Straße hereindrangen, wich die Anspannung aus ihren Gesichtern. Als Joseph sich vor fast siebzehn Jahren in der quicklebendigen Hafenstadt Narbon niederließ, hatte er sich für dieses Haus mit den angeschlossenen Behandlungsräumen entschieden, weil es mitten im Herzen der Stadt lag. »Hier bin ich für meine Patienten leichter zu erreichen«, hatte er seiner jungen Frau erklärt. Joseph wie Nona hatten sich rasch an den Lärm und den ständigen Trubel gewöhnt. Und Garth hatte nie etwas anderes gekannt.
    »Meister Goldmann will mich heute nachmittag konsultieren, Garth«, sagte Joseph nach einer Weile und stellte die leere Tasse auf den Tisch zurück. »Er muß in seinem Beruf viel mit ätzenden Flüssigkeiten umgehen und hat davon kleinere Verletzungen an den Händen. Ich möchte, daß du dich seiner annimmst.«
    Garth nickte. Er war es gewohnt, daß ihm sein Vater die harmloseren Fälle überließ, und hatte rasch gelernt, die zahllosen Hautausschläge und Schnitt-und Rißwunden zu versorgen, mit denen tagtäglich Hilfesuchende ins Haus kamen. Auf diese Weise wurde Joseph entlastet und konnte sich den schwereren Krankheiten widmen, die nur er mit seinem umfassenden Wissen, seiner jahrelangen Erfahrung und mit dem intensiven Einsatz seiner ›Hände‹ zu behandeln verstand.
    Auf Josephs Gesicht erschien ein Lächeln, unter dem dunklen Bart blitzten die Zähne auf. »Ich bin stolz auf dich, Garth. Du hast dich bei Miriam tapfer gehalten.
    Wenn du mit Meister Goldmann fertig bist und Miriam ihr Pulver gebracht hast – ich werde dir zeigen, wie man es mischt
    –, kannst du dir den Rest des Tages freinehmen und den Sonnenschein genießen.«
    Garth strahlte. Ein jungenhaftes Grinsen vertrieb den Ernst aus seinen Zügen. »Wirklich? Danke, Vater!«

    Joseph wandte sich an Nona und verdrehte die Augen. »Der Bursche wird natürlich sofort zum Hafen hinunterlaufen, um den koroleanischen Frachter anzuschmachten, der heute morgen angelegt hat.«
    Er hatte ein Lächeln erwartet, aber Nona blieb ernst. Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Joseph. Heute morgen wurde ein Brief abgegeben. Aus Ruen.«
    Garth sah seinen Vater erschrocken an. Auch Joseph war das Lachen vergangen, seine Finger krallten sich um die leere Teetasse.
    »Aus Ruen«, seufzte er. Es war keine Frage. Sie wußten alle drei, was ein solcher Brief zu bedeuten hatte.
    »Manchmal hasse ich den Frühling«, sagte Joseph in das Schweigen hinein. »Denn mit den ersten Sonnenstrahlen kommt zwangsläufig auch der Aufruf, und die Frühlingswärme verdammt mich dazu, drei Wochen in Finsternis zu verbringen.«
    »Es sind ja nur drei Wochen.« Nona bemühte sich, die Sache von
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