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Der heilige Erwin und die Liebe

Der heilige Erwin und die Liebe

Titel: Der heilige Erwin und die Liebe
Autoren: Jasna Mittler
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Anscheinend hat ihr Gefühlsausbruch im Kaufhaus ihre Eltern tatsächlich zum Nachdenken gebracht.
    Die Eisfläche befindet sich mitten in der Altstadt. Jedes Jahr zur Vorweihnachtszeit wird sie extra dort aufgebaut. Bunte Lichterketten ringsherum leuchten gegen das winterliche Grau an. Aus Lautsprechern plätschert Popmusik. Eine Girlande aus Tannengrün schmückt die Einfassung, die die Eisfläche begrenzt. Hinter dieser Absperrung steht Erbses Sporttasche, in der sie nicht nur ihre Schlittschuhe, sondern auch Jesus hierher gebracht hat. Jesus ist heraus geklettert und drückt Marlenes Schnauze an der Absperrung platt, um durch die Ritzen zwischen den Wandplatten einen Blick auf die Eisläufer zu erhaschen. Sein Vater hat sich auf Fridos Hinterbeine gestellt, damit Er über die Absperrung schauen kann.
    Es sind vor allem Kinder, die sich an diesem Nachmittag auf das Eis wagen. Mit geröteten Wangen ziehen sie Runde um Runde oder begnügen sich damit, auf der Stelle vor und zurück zu schlittern. Ihr warmer Atem bildet kleine weiße Wölkchen vor den fröhlichen Gesichtern. Ein paar Jugendliche sind auch dabei, die sich gegenseitig mit Absicht anrempeln, um sich dann in aller Freundschaft lautstark zu beschimpfen. Inmitten der aufgekratzten Schar wirken Rita und Erwin wie Fremdkörper. Vorsichtig halten sie sich am Rand fest und wagen sich nur zentimeterweise vorwärts. Erbse hingegen zieht schon geübt ihre Runden, während Olli-Lolli unsicher über das Eis stolpert. Als Erbse jedoch wieder einmal elegant an ihm vorbei gleitet, hebt er einen Fuß an und konzentriert sich darauf, das Gleichgewicht zu halten. Als er merkt, dass das funktioniert, wechselt er Spiel- und Standbein aus und gleitet voller Stolz auf dem anderen Fuß. Die Kufen kratzen geräuschvoll über die Eisfläche. Hier und da rutscht einer der Schlittschuhläufer seitlich weg, so dass kleine Fontänen von Eissplittern und Tauwasser aufstieben. Einmal schafft Jesus es nicht rechtzeitig, Marlenes Kopf wegzuziehen, und so spritzt ihm eine Ladung Tauwasser mitten ins Gesicht. Er schüttelt sich.
    Â»Und das soll Spaß machen?«, fragt er angewidert.
    Gott grinst. »Sonst bist du doch immer für jedes Abenteuer zu haben!«
    Â»Alles hat seine Grenzen«, murmelt Jesus und schleckt das kalte Wasser aus dem Katzenfell. »Wenn Wasser im Spiel ist, ist für mich jedenfalls der Spaß vorbei!«
    Erbse und Olli-Lolli haben Rita und Erwin jetzt untergehakt. Zu viert schlittern sie lachend und kreischend über das Eis. Rita klammert sich an Erwins Arm, und Erwin fasst sie um die Taille. Eng umschlungen setzen sie ihren Weg fort, auch nachdem sich die Kinder wieder von ihnen gelöst haben.
    Olli-Lolli steuert auf Hund und Katze zu. »Ich brauche eine Pause!«, ruft er den Tieren entgegen. Ihm ist heiß in seiner dicken Jacke. Mit dem Rücken an die Absperrung gelehnt, beobachtet er das Geschehen auf der Eisfläche. Obwohl er nun still steht, spürt er in den Beinen noch immer dem Gefühl des Ausbalancierens nach.
    Als Erbse bei ihrer nächsten Runde an dem Jungen und den Tieren vorbeikommt, hält sie ebenfalls an. Zu viert beobachten sie die zaghaften Versuche von Erwin und Rita, sich über die rutschige Fläche zu bewegen.
    Â»Es ist alles eine Frage der Balance«, verkündet Jesus. »Eine Beziehung zu führen ist wie ein Paartanz auf dem Eis.«
    Die Kinder sehen ihn verwirrt an.
    Â»Was meinst du damit?«, fragt Erbse.
    Â»Ein gemeinsames Dahingleiten«, philosophiert Jesus. »Mal nah beieinander, mal mit Abstand. Mal elegant und harmonisch, mal schlitterig und plump. Mal mit kleinen Sprüngen und Kurven – «
    Â»Und mal mit einem Ausrutscher!«, fällt ihm Gott ins Wort, denn in diesem Augenblick ist Rita auf dem Po gelandet. Erwin hilft ihr auf, und sie klopft lachend die Eisreste von ihrem Mantel. Die beiden sehen glücklich aus und wirken mit ihren geröteten Wangen und den leuchtenden Augen wie frisch verliebt. »Es scheint mir, als wäre unsere Mission bald erfüllt«, sagt Gott bei diesem Anblick.
    Die Kinder wenden ihm die Köpfe zu. »Heißt das, die magische Maus wird euch bald erlösen?«, fragt der Junge leise.
    Gott nickt. »Sie ist sehr zufrieden damit, wie die Dinge laufen«, erklärt Er. »Bald dürfen wir wieder normale Tiere sein!«
    Erbse ist blass geworden. »Aber«,
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