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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
Autoren: Marcello Simoni
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Anblick des legendären Xvarnah vergönnt gewesen, doch er hatte kein übernatürliches Wesen beschwören können. Bedrückt vom Gefühl der Niederlage, wurde er heftig von Krämpfen geschüttelt. Er versuchte, ihnen standzuhalten, biss die Zähne zusammen, um dem Schmerz zu widerstehen, doch dann verlor er das Bewusstsein.
    Ein Hauch, vielleicht das Flattern von Flügeln in der Dunkelheit …
    Ignazio schlug die Augen auf. Er lag auf dem Schnee, seine Glieder waren taub. Vor ihm stand Uberto.
    »Seit Stunden warten wir auf dich.« Der Junge wirkte erleichtert. »Dann haben wir beschlossen, dich zu suchen.«
    »Zu meinem Glück …«, flüsterte Ignazio. Willalme trat an seine Seite, er half ihm, aufzustehen und sich ans Feuer zu setzen.
    »Was ist geschehen?«, fragte Uberto. »Ist es dir gelungen, den Engel zu beschwören?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Ignazio und hielt die Hände ans Feuer. »Ich weiß nicht, was geschehen ist. Vielleicht bin ich nicht rein genug wie die Mager, oder vielleicht war es nicht das, was ich mir wirklich wünschte. Jedenfalls nicht so sehr, wie mit meiner Familie zusammenzuleben. Mit meiner Frau und meinem Sohn.«
    »Du hast einen Sohn?« Uberto wich einen Schritt zurück.
    »Ja. Ich glaubte, ich hätte ihn verloren, doch ich habe ihn wiedergefunden.«
    Willalme entfernte sich, während Uberto Ignazio unsicher musterte.
    Der Händler hüllte sich in seinen Wolfspelz. »Du musst wissen, dass vor fünfzehn Jahren, als ich mit Viviën nach Köln reiste, Sibilla bei mir war. Die Reise war lang, aber unumgänglich. Nach diesem Auftrag für den Erzbischof wollte ich mich von meinen Geschäften zurückziehen und ein neues, beschaulicheres Leben beginnen.«
    »Und was geschah dann?«, fragte Uberto.
    »Durch Viviën und das ›Uter Ventorum‹, welches er schon damals besaß, ohne dass ich davon wusste, kamen wir in Konflikt mit der Heiligen Vehme.« Ignazio erinnerte sich noch genau an diese schreckliche Nacht in Köln, in der Viviën zitternd vor Furcht in das Zimmer des Gasthauses gestürzt war, in dem er und Sibilla schliefen, und mit weit aufgerissenen Augen geschrien hatte: »Schnell, flieht von hier! Sie kommen hierher! Nehmt das Kind und verschwindet!«
    Ignazio senkte den Blick. »Damals begriff ich noch nicht, warum Dominus und die Erleuchteten uns verfolgten. Doch angesichts der Gefahr blieb keine Zeit zu überlegen. Mein erster Gedanke galt der Sicherheit meiner Familie, deshalb kehrten wir Köln den Rücken und flohen Richtung Italien. Doch es ergaben sich Schwierigkeiten.«
    »Welche?«, drängte ihn Uberto.
    »Die Erleuchteten ließen uns keine Ruhe, und als wir die Alpen erreichten, hatte ich einen Entschluss gefasst: Wir mussten uns trennen. Viviën machte sich auf den Weg nach Frankreich, und ich musste die schmerzlichere Entscheidung treffen, nämlich Sibilla alleinzulassen.« Vor Ignazios innerem Auge stand das von Qual gezeichnete Gesicht seiner Frau. »Wir hatten erst vor Kurzem geheiratet … Ich überredete sie, nach Spanien zurückzukehren. Wenn sie mich verließe, wäre sie gerettet. Mir war, als würde ich ihr das Herz aus der Brust reißen, aber es gab keine andere Lösung … Doch ich musste noch eine weitere schlimme Entscheidung treffen, denn wenig später musste ich auch meinen Sohn zurücklassen …«
    Uberto starrte ihn bestürzt und mit zugeschnürter Kehle an.
    »Unser Sohn war noch sehr klein.« Das Gesicht Ignazios wurde weich. »Er begann gerade zu laufen … Auf der Flucht aus Deutschland wurde er krank, ein keuchender Husten, der einfach nicht besser werden wollte. Ich konnte ihn nicht mit Sibilla nach Spanien ziehen lassen, er hätte die lange Reise niemals überlebt. Deshalb nahm ich ihn mit in der Hoffnung, möglichst bald einen sicheren Platz für ihn zu finden, wo man sich um ihn kümmern würde. Und als ich zwischen den Lagunen südlich von Venedig Zuflucht suchte, stieß ich zufällig auf das Kloster Santa Maria del Mare …«
    »Nein, das ist unmöglich!«, schrie Uberto, und sein Gesicht wurde hochrot. »Ich höre dir nicht mehr zu!« Wie konnte dieser Mann nach so langen Jahren des Schweigens plötzlich aus dem Nichts auftauchen und ihm derart Ungeheuerliches enthüllen?
    »Doch, du musst mir zuhören.« Ignazio stand mühsam auf und nahm den Jungen in die Arme. Seine Maske der Gleichmut war zerbrochen, stattdessen spiegelten sich Liebe und Mitgefühl auf seinem Gesicht. »Bei dieser Gelegenheit lernte ich Abt Maynulfo da
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