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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
Autoren: Marcello Simoni
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und musterte ihn genau: Der Mann war hochgewachsen und kräftig, er trug einen großen Hut und einen schwarzen Umhang. Auf den ersten Blick hatte er nichts Auffälliges an sich, doch als Geraldo ihm ins Gesicht sah, konnte er seinen Blick nicht von ihm lösen: Es war blutrot, und die Lippen darin waren zu einem teuflischen Grinsen verzerrt.
    »Satan!«, stieß der Kellermeister aus und wich entsetzt zurück.
    Inzwischen hatte Viviën seinem Pferd die Sporen gegeben und preschte im Galopp den Abhang hinunter auf das Susatal zu. Er musste so schnell wie möglich von hier verschwinden, doch der mit Schlamm vermischte Schnee machte den Pfad unwegsam und zwang ihn zur Vorsicht.
    Nun erkannte der unheimliche Kutscher den Fliehenden, wütend trieb er seine Pferde an und machte sich mit seinem Wagen an die Verfolgung.
    »Bleibt stehen, Viviën de Narbonne!«, schrie er. »Ihr könnt Euch nicht auf ewig vor der Heiligen Vehme verbergen!«
    Viviën drehte sich nicht einmal um, während in seinem Kopf tausend Gedanken durcheinanderwirbelten. Hinter sich hörte er die Räder des Karrens, der immer näher kam. Er hatte ihn beinahe erreicht! Wie konnte er auf einem so gefährlichen Pfad nur so schnell fahren? Das waren keine Pferde, sondern Dämonen geradewegs aus der Hölle!
    Die Worte seines Verfolgers ließen keinen Zweifel daran, dass es sich um einen Abgesandten der Freirichter handelte. Die Erleuchteten wollten das Buch! Und sie würden alles dafür tun, um es in ihren Besitz zu bringen. Sie würden ihn foltern, bis er vor Schmerz wahnsinnig würde, allein um das Wissen zu erlangen und zu lernen, wie man aus der Weisheit der Engel schöpfen konnte. Dann besser sterben!
    Mit Tränen in den Augen packte er die Zügel fester und trieb den Zelter an. Dabei geriet das Pferd zu nahe an den Rand des Abhangs, und das vom Schneeregen aufgeweichte Erdreich gab unter seinem Gewicht nach.
    Das Tier rutschte ab und Viviën mit ihm, gemeinsam stürzten sie die Bergflanke hinab. Die Schreie des Mönchs während des Sturzes vermischten sich mit dem entsetzten Wiehern des Pferdes und hallten lange nach, bis sie sich im Heulen des Sturms verloren.
    Der Karren hielt an. Der unheimliche Kutscher stieg vom Bock und suchte mit Blicken die Schlucht ab. Nun gibt es nur noch einen Menschen, der davon weiß, nämlich Ignazio da Toledo, dachte er. Wir müssen ihn finden.
    Er legte die rechte Hand an sein Gesicht und berührte etwas, das zu kalt und zu hart war für ein menschliches Antlitz. Beinahe widerwillig presste er die Finger auf seine Wangen und nahm die rote Maske ab, die sein wahres Gesicht verbarg.

ERSTER TEIL
    DAS KLOSTER DER LÜGEN
    »Von ihnen hörte ich alle Dinge und verstand, was ich sah; das, was geschehen wird nicht in diesem Geschlecht, sondern in einem Geschlecht, welches kommen wird in ferner Zeit, um der Auserwählten willen.«
    Das Buch Henoch, I , 2
     
     

1
    Niemand wusste mit Sicherheit zu sagen, wer Ignazio da Toledo wirklich war. Manche hielten ihn für weise und gebildet, andere für heimtückisch und den Schwarzen Künsten ergeben. Für viele war er jedoch schlicht ein Pilger, der auf der Suche nach Reliquien, die er den Gläubigen und den Mächtigen verkaufen konnte, von einem Land ins andere umherzog.
    Obwohl er es vermied, seine Herkunft zu enthüllen, sprachen doch seine maurischen Gesichtszüge, die allerdings durch eine helle Hautfarbe gemildert wurden, zu offensichtlich dafür, dass er von den Christen abstammte, die in Spanien in engem Kontakt mit den Arabern gelebt hatten. Sein kahl rasierter Schädel und der dunkelgraue Bart ließen ihn wie einen Gelehrten aussehen, aber vor allem seine Augen fielen auf: Sie waren smaragdgrün, eindringlich und von scharfen Falten umrahmt. Die graue Tunika unter dem Kapuzenumhang verströmte den Wohlgeruch orientalischer Stoffe, die des langen Transports wegen mit Düften besprüht wurden. Groß und schlank von Gestalt, stützte er sich beim Gehen auf einen Pilgerstab.
    Das also war Ignazio da Toledo, und so sah ihn der junge Uberto das erste Mal, als sich am regnerischen Abend des 10.   Mai 1218 das Eingangsportal der Klosterkirche Santa Maria del Mare öffnete und eine hochgewachsene Gestalt mit tief in die Stirn gezogener Kapuze eintrat, gefolgt von einem blonden Mann, der eine große Truhe hinter sich herschleifte.
    Abt Rainerio da San Donnino, der gerade die Vesperlitanei beendet hatte, erkannte den Fremden unter der Kapuze sofort und ging ihm entgegen.
    »Meister
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