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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
Autoren: Marcello Simoni
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irgendwas komisch daran?«, wollte ich wissen.
    Wessing schüttelte den Kopf.
    »Nein. Ameisen, das ist prima«, sagte er.
    »Verstehe ich nicht.«
    »Ich wollte dich sowieso fragen, ob du hier alt werden möchtest.«
    Wessing nickte ein paarmal vor sich hin. Ich fühlte mich ausgeschlossen von solcher Art Bestätigung, mit der er, auch das wusste ich damals noch nicht, bereits über mich verfügte.
    »Ich verstehe dich immer noch nicht.«
    »Na ja. Du verdienst zehn Euro die Stunde bei Klemm. Schläfst im Auto. Hängst abends hier rum.«
    Wessing umrahmte mit der Flasche in seiner Hand den in der Sonne glitzernden Schrott und brachte die Bewegung zum Abschluss, indem er die Flasche an die Lippen setzte und mich dabei zusehen ließ, wie er trank. Luft gluckerte in die Flasche hinein, das flache Licht schien durch die grüne Radeberger-Flasche, auf dem absinkenden Schaumspiegel reihten sich Blasen nebeneinander. Wessing setzte ab, wischte sich mit dem flachen Daumen über das Bärtchen und beendete die Kunstpause, indem er wieder Blickkontakt aufnahm. Freundlich, väterlich fast, so schien es mir damals.
    »Ich vermute, du könntest was Besseres gebrauchen, oder?«
    »Wovon redest du eigentlich?«
    »Ein Jahr für pauschal fünfzigtausend plus Spesen, freie Kost und Logis, das Geld kommt ohne Umwege direkt auf die Hand. Kaum ein Risiko dabei. Was hältst du davon?«
    Sagte Wessing, auf der Mauer hockend. Im fleckigen Unterhemd, sein Bauch quoll über den Jeansgürtel, Quer- und Längsfalten gliederten sein Gesicht überzeugend abenteuerlich, die Bierflasche ruhte auf seinem rechten Knie. Er machte einen Witz. Oder doch nicht. Da war etwas in seinen blauen Augen.
    »Das meinst du nicht ernst.«
    »Ich meine das ernst. Du bist doch ungebunden, oder?« Wessing nickte bedeutungsvoll zu meinem roten Subaru hinüber, der hinter dem Büro parkte. »Sonst würdest du nicht im Auto pennen.«
    »Woher willst du denn das wissen?«
    »Ich hab schließlich Augen im Kopf. Dein Schlafsack liegt aufgerollt dort drin, der Beifahrersitz ist runtergeklappt, und du putzt dir die Zähne da hinten im Klo.«
    Ich schwieg. Es gab nichts hinzuzufügen.
    »Also, was ist? Was meinst du zu meinem Angebot?«
    »Was ist das? Und wo?«
    »Tourismus. In Afrika.« Wessing trank, ließ mich dabei nicht aus den Augen, setzte die Flasche wieder ab und präzisierte. »Aber gehobener Tourismus. In einem Team, das einen Wildpark aufbaut. Mit Robert Fox. Kennst du Robert Fox? Der die Filme über Gorillas gemacht hat? War bei Greenpeace, arbeitet inzwischen für GEO .«
    »Was für ein Team? Und was soll ich dabei tun?«
    »Das Projekt ist noch im Aufbau. Es funktioniert so, pass auf: Man pachtet von der Regierung hunderttausend Hektar Wildnis, natürlich braucht man Beziehungen, das kann nicht jeder, und das soll ja auch nicht sein. Also hunderttausend Hektar Urwald, Flüsse, Savanne. Dort wird nicht gejagt, keine Abholzerei, keine Brandrodung. Da rein baut man ein Luxuscamp. Nur eine kleine Gruppe Besucher wird zugelassen, sagen wir zehn Personen. Das sind zehntausend Hektar für jeden Gast, rein rechnerisch, meine ich. Die Gäste bekommen im Camp Drei-Sterne-Küche, Wellness, Internet. High-End-Luxus, aber alles ökologisch sauber. Dazu volles Wildnisprogramm direkt von der Terrasse aus. Elefanten, Zebras, Giraffen und so weiter. Vor allem – und das ist der entscheidende Punkt – sind sie unter sich. Und dafür bezahlen sie ordentlich.«
    Wessing sah mich prüfend von der Seite an, mit noch immer sehr blauen Augen. Nickte einige Male, die Lippen genießerisch geschürzt, als schmecke er nach, was er gesagt hatte, fuhr fort.
    »Wildnis ist teuer. Vor allem wenn sie so aussehen soll, wie Afrika mal ausgesehen hat. Ich war lange genug in Afrika, Bernd. Die Natur dort geht kaputt, wenn man sie den Afrikanern überlässt. Es gibt ja bloß noch ein paar hundert Gorillas, dasselbe gilt im Grunde für die Schimpansen oder für die Leoparden. Wenn nicht schnell was passiert, sind in zehn Jahren keine mehr da. Und es gibt Leute, die jeden Preis dafür bezahlen, wenn sie vorher noch was davon zu sehen kriegen.«
    »Du warst in Afrika?«
    »Zwanzig Jahre. Unter anderem habe ich Leute auf Safari begleitet. In Namibia.«
    »Und jetzt bist du hier?«
    »Wie du siehst. Auf Urlaub in der Heimat, wenn du so willst.«
    Wessings Gesichtsfalten bildeten ein abweisendes Muster. Ich hätte vielleicht in diesem Moment nachfragen sollen – nach Wessings abgerissener
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