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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
Autoren: Marcello Simoni
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die einer Marionette.
    Während sich die Hände ihren Weg durch die Decken bahnten, stieg jemand auf das Lager. Es war, als hätte sich ein Schatten aus der Dunkelheit gelöst und drückte jetzt auf seine Brust. Der Schatten verwandelte sich in einen schwarzen Umhang, die Hände, diese schneeweißen Klauen, die aus den Ärmeln des Gewandes hervorsahen, hielten einen kreuzförmigen Dolch, und unter der Kapuze erschien ein Gesicht. Nein, das war kein Gesicht, sondern die rote Maske.
    Ignazio zuckte zusammen. Diese Maske kannte er nur zu gut. Ihm stockte der Atem. Dann wich der Alptraum, stattdessen träumte er nun von einem Gewirr von Stimmen und Geräuschen. Er fand sich auf der Flucht wieder: Mit einem kostbaren Bündel in den Armen überwand er die Berge, während die Angst sich in seinen Eingeweiden festkrallte und ihm die Beine lähmte und der eiskalte Wind ihm ins Gesicht schnitt. Der Schnee wich dem Grün der Nadelbäume, und die Landschaft wurde sanfter, hügeliger, dann flach und eben. Die Sonne verlor an Kraft, und die Pfade wurden zu Labyrinthen zwischen Flüssen und Schilfrohr. Lagunen und Sümpfe versanken im Nebel.
    Während aus der Ferne die Schreie der Verfolger immer näher kamen, sah er endlich, vollkommen unerwartet, das Licht …
    Und ein lächelndes Antlitz: Maynulfo da Silvacandida.
    Die Dunkelheit löste sich in der Stille der Morgenröte auf. In der Klosterkirche sangen die Mönche die Laudes.
    Willalme war bereits aufgestanden. Gähnend dankte Ignazio dem Himmel, dass er ihn wieder einmal die Alpträume hatte überstehen lassen. Er steckte eine Hand in seine lederne Tasche, holte den Brief hervor, den er am Vorabend geschrieben hatte, und reichte ihn seinem Gefährten.
    »Hör zu. Diese Aufgabe ist zwar nicht gefährlich, aber sei trotzdem immer auf der Hut. Die Lagunen haben Augen und Ohren. Leider kann ich dich nicht begleiten, das weißt du. Ich möchte im Augenblick nicht riskieren, dass mich jemand erkennt. Folge meinen Anweisungen, und du wirst auf keine Schwierigkeiten treffen.«
    »Entspann dich, mein Freund, und mach dir keine Sorgen«, erwiderte Willalme. »Ich werde bald zurück sein.«
    Der Franzose schlüpfte verstohlen aus dem Gästehaus, umrundete die Klosterkirche, ohne dass ihn jemand sah, und schlug den Weg zum Ufer ein. Plötzlich hörte er ein Geräusch hinter sich und verbarg sich hinter einem Dornbusch. Eine Gruppe Dörfler kam eine kleine Erhebung herab, die Hosen und Füße schlammbedeckt. Unter ihnen befand sich auch Hulco, den er an seinem merkwürdigen Gang erkannte.
    Die Männer waren auf dem Weg zum Kloster und trugen Netze und Körbe mit zuckenden Fischen mit sich. Willalme verharrte in seinem Versteck, bis sie sich entfernt hatten, dann stand er auf und lief zum Ufer, hinter dem sich ein Kanal erstreckte.
    Dort wartete schon ein Schiffer in einem plumpen, kleinen Boot auf ihn. Willalme sprang an Bord, grüßte hastig und reichte dem Mann vier Münzen.
    »Bring mich zur Abtei von Pomposa.«
    Der Fährmann nickte, versenkte seinen langen Stock im Kanalbett und stakte das Boot Richtung Norden.

4
    Nach dem Gebet zur Terz, der Morgen war nun schon weit fortgeschritten, verließ Ignazio seine Unterkunft und fragte zwei Mönche, wo er Rainerio finden könnte. Sie zeigten auf ein kleineres, massives Gebäude gegenüber der Klosterkirche, dessen Fassade mit eleganten Verzierungen in Terrakotta geschmückt war. Dort, im sogenannten Castrum abbatis , verwaltete der Abt den klostereigenen Landbesitz und kam seinen repräsentativen Aufgaben nach.
    Vor dem Haus hatte sich ein Grüppchen Bettler versammelt. Ignazio kam jedoch mühelos an ihnen vorbei und trat durch den Haupteingang ein. Er durchquerte den Flur im Erdgeschoss, ohne die zu beiden Seiten abgehenden Räume zu beachten, bis er am Ende des Ganges zu einer großen Holztür gelangte. Dahinter waren Stimmen zu vernehmen.
    Ignazio klopfte, doch niemand antwortete.
    »Ich möchte mit dem Abt sprechen«, rief er gegen die Tür gelehnt.
    Bei diesen Worten wurde das Gespräch drinnen unterbrochen, und er erhielt zur Antwort: »Meister Ignazio, seid Ihr es? Tretet ein, die Tür ist offen.«
    Ignazio betrat einen überaus wohnlich wirkenden Raum, an dessen Wänden sich Heiligenbilder und Schränke abwechselten. Ein Blick auf die Einrichtung verriet guten Geschmack, die allerdings nach den strengen Regeln der Benediktiner vielleicht ein wenig zu aufwendig sein mochte. Doch Äbte schwelgten häufig im Luxus, ganz wie
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