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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
Autoren: Marcello Simoni
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Fersen tief in den Morast drückte.
    Der Regen hatte aufgehört. Die Wolken teilten sich und machten einem rötlichen Sonnenuntergang Platz. Schwärme kreischender Schwalben wirbelten durch die Luft, begleitet von einem Wind, der nach Salz und Meer roch.
    Am Gästehaus angekommen, wandte sich Hulco den beiden Reisenden zu. Die letzten Schimmer Tageslicht beleuchteten seinen ungeschlachten Körper. Unter einer abgeschabten Kappe sahen stoppelige Haare und eine Knollennase hervor. Ein dreckiger Kittel und eine an den Knien fadenscheinige Hose rundeten den erbärmlichen Anblick ab.
    » Domini illustrissimi «, nuschelte er. Darauf folgte eine Litanei in unsäglich stümperhaftem Latein, die so etwas heißen sollte wie: »Die Herrschaften wünschen, dass ich die Truhe hineinbringe?«
    Auf ein Nicken hin hob der Diener die Truhe von der Karre und schleppte sie mühsam ins Innere des Gebäudes.
    Das Gästehaus war beinahe zur Gänze aus Holz erbaut, die Wände mit Rohrgeflecht verkleidet. Am Eingang erwartete sie bereits ein eher finster wirkender Kerl mit stechenden Augen, der einen Kittel aus Flachsstoff trug. Ginesio, der Verwalter des Hauses, begrüßte die Reisenden und erklärte ihnen, dass der Abt ihm befohlen habe, er solle das bequemste Zimmer für sie bereithalten.
    »Geht hinauf, die dritte Tür rechts führt zu Eurer Unterkunft«, sagte er mit einem plump vertraulichen Lächeln und zeigte auf eine Treppe, die ins obere Stockwerk führte. »Fragt mich bitte, wenn Ihr irgendetwas braucht. Guten Aufenthalt.«
    Ignazio und Willalme folgten Ginesios Angaben. Nachdem sie die Stufen hinaufgestiegen waren, standen sie bald vor einer Holztür, die Ignazio, der daran gewöhnt war, in Gemeinschaftsräumen zu schlafen, wo die Lager nur mit Vorhängen abgetrennt waren, als wahren Luxus zu schätzen wusste.
    Erschöpft blieb Hulco hinter den Gästen stehen.
    »Danke, das genügt«, beschied ihm Ignazio. »Du kannst ruhig wieder an deine Arbeit gehen.«
    Dankbar stellte der Diener die Truhe ab, verabschiedete sich mit einer Verbeugung und entfernte sich auf seine gebückt-schwankende Art.
    Als sie allein waren, fragte Willalme: »Was tun wir jetzt?«
    »Zunächst einmal verstecken wir die Truhe«, erwiderte Ignazio. »Dann gehen wir zum Abendessen. Wir werden am Tisch des Abts erwartet.«
    »Ich glaube kaum, dass ich ihm sehr sympathisch bin, deinem Abt«, sagte der Franzose.
    Ignazio lächelte. »Wolltest du dich etwa mit ihm anfreunden?«
    Wie erwartet erhielt er keine Antwort. Willalme war kein Mann der vielen Worte.
    Während sie das Zimmer betraten, fügte der Händler hinzu: »Vergiss nicht, du musst morgen bei Tagesanbruch abreisen. Achte darauf, dass niemand mitbekommt, wohin du willst.«

2
    Das Kloster Santa Maria del Mare erhob sich über der Lagune, nicht weit von der Adriaküste entfernt. Obwohl es nicht sonderlich beeindruckend wirkte, beherrschte es doch an sonnigen Tagen die verlassenen, von Kanälen und Sümpfen durchzogenen Ebenen.
    Die Kirche stammte aus den ersten Jahrzehnten des elften Jahrhunderts. Die nach Osten gehende Fassade wurde von vielen kleinen Fenstern durchbrochen, die scheinbar gewaltsam in die Mauern geschlagen worden waren. Links des Gotteshauses drängte sich eine Reihe von Gebäuden: das Refektorium, die Wirtschaftsgebäude und das Dormitorium der Mönche. Auf der gegenüberliegenden Seite lagen die Stallungen und das Gästehaus, in dem die unterschiedlichsten Reisenden übernachteten. Die Mehrzahl von ihnen passierte das Kloster auf dem Weg von Ravenna nach Venedig. Einige waren unterwegs zu heiligen Stätten, zu Klöstern in Deutschland und Frankreich oder zum Jakobsweg nach Spanien. Andere wollten dagegen nach Süden zur Kirche San Michele Arcangelo im Gargano.
    Doch an diesem Tag war das Gästehaus beinahe leer. In der Dunkelheit des hereingebrochenen Abends rührte sich nichts und niemand. Niemand außer einem grobschlächtig wirkenden Mann. Angespannt hatte er im Verborgenen gelauert, bis alle zum Abendessen gegangen waren, die Mönche ins Refektorium und die Diener in ihre Hütten. Erst dann hatte er die Stallungen verlassen und war heimlich ins Gästehaus geschlüpft, hatte sich im Halbdunkel an der Wand entlanggedrückt, bis er das Zimmer des Händlers aus Toledo erreichte.
    Nun legte er das Ohr horchend an die Tür und vergewisserte sich, dass sich niemand dahinter aufhielt, dann schlich er sich verstohlen hinein. Wenn er recht verstanden hatte, waren die Gäste zum Abendessen
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