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Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)

Titel: Der Händler der verfluchten Bücher (German Edition)
Autoren: Marcello Simoni
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Ignazio, wie lange ist es her!«, rief er freundlich und bahnte sich durch die Scharen von Mönchen seinen Weg zu ihm. »Ich habe die Nachricht von Eurem Besuch erhalten und bereits ungeduldig auf Eure Ankunft gewartet.«
    »Ehrwürdiger Rainerio«, sagte Ignazio und verneigte sich leicht. »Da verlasse ich Euch als einfachen Mönch und finde Euch nun als Abt wieder.«
    Rainerio war ebenso groß wie der Händler aus Toledo, jedoch kräftiger gebaut. Das Auffälligste an seinem Gesicht war die markante Adlernase. Seine kastanienbraunen Locken fielen ihm wirr in die Stirn. Bevor er Ignazio antwortete, senkte er den Blick und schlug ein Kreuz.
    »Das war der Wille des Herrn. Maynulfo da Silvacandida, unser voriger Abt, ist im vergangenen Jahr von uns gegangen. Ein schwerer Verlust für unsere Gemeinschaft.«
    Bei dieser Nachricht stieß der Händler einen bitteren Seufzer aus. Er glaubte nicht an die Legenden über das Leben der Heiligen und zweifelte an den wundertätigen Eigenschaften der Reliquien, die er oft aus fernen Ländern mitbrachte. Doch Maynulfo war wirklich ein Heiliger gewesen. Nicht einmal nachdem er zum Abt ernannt worden war, hatte er auf sein Eremitenleben verzichtet. Regelmäßig zog er sich für eine gewisse Zeit an einen Ort abseits des Klosters zurück, um in der Abgeschiedenheit zu beten. Er ernannte einen Stellvertreter, schulterte eine Tasche und suchte eine im Schilf der nahen Lagune gelegene Einsiedelei auf, wo er ganz allein in der Zwiesprache mit dem Herrn fastete.
    Ignazio erinnerte sich noch genau an die Nacht, in der sie einander zum ersten Mal begegnet waren. Zu jener Zeit war er verzweifelt auf der Flucht gewesen und hatte in dessen Eremitenklause Schutz gesucht. Maynulfo hatte ihn aufgenommen und ihm seine Hilfe angeboten, und Ignazio hatte erkannt, dass er ihm sein Geheimnis anvertrauen konnte.
    Seitdem waren fünfzehn Jahre vergangen. Rainerios dröhnende Stimme vertrieb die Erinnerungen: »Er ist in der Klause an der Winterkälte gestorben. Wir alle haben ihn nachdrücklich gebeten, seinen Rückzug in die Abgeschiedenheit auf den Frühling zu verschieben, doch er sagte, der Herr rufe ihn zur inneren Einkehr. Sieben Tage später habe ich ihn tot in seiner Zelle gefunden.«
    Hinten im Kirchenschiff hörte man einige Mönche traurig seufzen.
    »Aber sagt mir doch, Ignazio«, fragte Rainerio, der bemerkt hatte, dass der Händler die Stirn runzelte, »wer ist Euer stummer Begleiter?«
    Der Abt musterte den blonden Mann neben dem Händler, der beinahe noch als Jüngling gelten konnte. Die langen, leicht gewellten Haare fielen ihm bis auf die breiten Schultern und umrahmten seinen kräftigen Hals. Seine blauen Augen wirkten jungenhaft, doch die Züge seines Gesichts erhielten durch die aufeinandergepressten Kiefer etwas Strenges und Entschlossenes.
    Der junge Mann trat einen Schritt vor und verbeugte sich zur Begrüßung. Er sprach mit dem Akzent des Languedoc, in den sich eine nicht näher bestimmbare exotische Färbung mischte: »Willalme de Béziers, ehrwürdiger Vater.«
    Der Abt zuckte leicht zusammen. Er wusste allzu gut, dass die Stadt Béziers der Schlupfwinkel einer Ketzersekte gewesen war. Erschrocken wich er zurück und zischte leise: » Albigensis  …«
    Bei diesem Wort verhärtete sich Willalmes Miene. Seine Augen blitzten wütend auf, doch dann huschte ein Ausdruck von Traurigkeit über sein Gesicht, als quäle ihn noch immer ein unbewältigter Schmerz.
    »Willalme ist ein guter Christ und hat nichts mit der Ketzerei der Albigenser oder Katharer zu schaffen«, wandte Ignazio ein. »Er hat sehr lange Zeit fern der Heimat gelebt. Ich habe ihn auf meinem Rückweg aus dem Heiligen Land kennengelernt, und wir sind Reisegefährten geworden. Außerdem wird er nur eine Nacht bleiben, er hat anderswo Geschäfte zu erledigen.«
    Rainerio musterte das Gesicht des Franzosen, dessen unstete Augen möglicherweise viele Geheimnisse verbargen, und nickte schließlich. Er schien sich plötzlich an etwas zu erinnern und wandte sich daraufhin den hintersten Bankreihen der Kirche zu.
    »Uberto!«, rief er und meinte damit einen dunkelhaarigen Jungen, der dort zwischen seinen Mitbrüdern saß. »Komm her, ich möchte dir jemanden vorstellen.«
    Gerade in diesem Moment fragte Uberto einige Mönche nach den beiden Besuchern aus, die er noch nie gesehen hatte. Ein Mitbruder antwortete ihm leise: »Der große Mann mit dem Bart ist Ignazio da Toledo. Man sagt, ihm seien während der Plünderung
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