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Der Gute Ton 1950

Der Gute Ton 1950

Titel: Der Gute Ton 1950
Autoren: Hans H. Wiese
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andern nie in Gesellschaft sagt, was er
    von ihm hält. Man wird nicht alle Welt davon unterrichten, dass man
    ein »Ungeheuer« geboren hat. Wenn ein Kind nur das geringste Gefühl
    dafür hat, dass man ihm Achtung schuldig ist, wird es nur sehr schwer
    eine solche Beleidigung vergessen. Man nimmt es in diesen Fällen
    richtiger beiseite, um ihm einen Verweis zu geben oder vernünftig mit
    ihm zu sprechen. Es ist auch überflüssig, dass Geschwister einer
    solchen Zurechtweisung beiwohnen. Die Gefahr des Abstumpfens ist
    sehr gross.
    Ein Kind kann auch stolz darauf werden, ständig der Mittelpunkt zu
    sein, genau so wie Verbrecher sich freuen, wenn ihr Bild auf der ersten
    Seite einer Zeitung erscheint mit genauen Berichten über ihre
    »Heldentaten«.
    DAS KIND UND DER »FREMDE MENSCH“
    Man wird seine Kinder fremden Menschen gegenüber nicht
    schlechter machen, als sie es in Wirklichkeit sind. Aber es ist auch nicht
    nötig, sie wie dressierte Hunde abzurichten. Man stellt Bekannten, die
    man auf der Strasse oder am dritten Ort trifft, sein Kind vor. Es wäre
    ungeschickt dies zu unterlassen, da wir selbst auf ein Kind Rücksicht
    nehmen sollten. Man darf einem Kind nicht erst sagen müssen, dass es
    »guten Tag« sagen soll. Ein unerzogenes Kind äussert bei solchen
    Gelegenheiten oft, dass ihm die betreffende Person nicht gefällt oder
    dass sie nicht schön ist. Es macht niemandem Freude, wenn man ein
    Kind bitten muss, die Hand zu geben, oder sich zu verbeugen,
    nachdem man ihm die Erfüllung jeden Wunsches versprochen hat.
    »Bockige« Kinder können schwerlich umgestimmt werden. Man wird
    ein Kind nicht auf der Strasse ohrfeigen oder prügeln, damit der
    Fremde nicht noch um Gnade für das Kind bitten muss. Solche
    Ermahnungen sollen früher und ständig gemacht werden. Wenn
    das Kind aus Schüchternheit oder aus Abneigung »nicht mag«, soll
    man es nicht wie einen abgerichteten Hund betrachten, der unbedingt
    vor dem Publikum seine Nummer machen muss. Die Aussprache
    zwischen den Eltern und dem Kind muss zu Hause stattfinden. Meist
    entschliesst sich ein Kind aus eigenem Willen »guten Tag« zu sagen,
    und nicht dann wenn man gewaltsam versucht, die kleine Maschine in
    Bewegung zu setzen. Es ist klüger a n das Ehrgefühl des Kindes und an
    seinen eigenen Willen zu appellieren. Ein Kind will sich schon früh wie
    ein Erwachsener benehmen! Ein Fremder wird einem Kind ohne
    übertriebene Vertraulichkeit antworten. Er sollte immer ein paar nette
    Worte für das kleine Mädchen oder den kleinen Jungen haben, damit
    sie sehen, dass man sich mit ihnen schon unterhalten kann. Aber diese
    Unterhaltung soll nicht zu ausgedehnt sein, damit das Kind nicht
    glaubt, es sei der Mittelpunkt. Es soll bescheiden bleiben.
    KINDER AUF BESUCH...
    Die Eltern dürfen die Anwesenheit ihrer Kinder dem Gastgeber nicht
    aufzwingen. Sie haben eine so wunderbare Gabe, mit Geschirr und
    zerbrechlichen Nippessachen zu spielen, eine so köstliche Begabung,
    eine gespannte Atmosphäre hervorzurufen, wenn sie einmal ihre
    anfängliche Schüchternheit überwunden haben, was nicht immer
    gefällt. Man weiss, wie »diskret« Kinder sind und dass sie den
    Unterschied zwischen dem, was man sagen kann und was man
    verschweigen soll, nicht kennen. Sie verstehen alles, was sie nicht
    verstehen sollen und vieles missverstehen sie. Man sollte vor Kindern
    auch nicht von Staatsgeheimnissen sprechen. Es ist beinahe so
    gefährlich wie vor Erwachsenen. Erfah-rungsgemäss spielen Kinder
    nicht gern im Nebenzimmer — wir sprechen von unerzogenen
    Kindern —, wenn man sie dorthin schickt. Sie ahnen, dass ihnen etwas
    wichtiges »entgeht«.
    Man nimmt seine Kinder zu Besuch nur mit, wenn sie besonders
    eingeladen wurden. Auch wenn man zu Hause Besuch hat, wird man
    in der gleichen Weise verfahren. Sie werden die Gäste kurz begrüs-sen.
    Man erwartete von seinen Gästen nicht, dass sie die Kinder
    bewundern, besonders nicht in deren Gegenwart. Ein Fremder sollte
    nie den Fehler begehen, vor einem Kind über dessen Schönheit zu
    sprechen. Das kann man sich erst erlauben, wenn das Kind älter als 18
    Jahre ist.
    KINDERWORTE.
    Es gibt Eltern, die sich jahrelang über die Aussprüche der Kinder
    begeistern. Sie glauben daraus zu ersehen, dass ihr Nachkomme ein
    künftiges Genie ist. Oft kann man entdecken, dass der so bewunderte
    Kinderausspruch gar nicht vom Kind selbst erfunden wurde. Ein Kind
    plaudert meist un-bewusst nach, und ein Ausspruch wird oft
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