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Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Titel: Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist
Autoren: Noam Shpancer
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zu Hause, zog ihren Sohn aus erster Ehe groß, aber das ist eine ganz andere Geschichte … Sie saß stundenlang vor dem Fernseher. Ich, ich kann nicht lange fernsehen. Nach fünf Minuten langweile ich mich; ich fange an, auf und ab zu gehen, halte es nicht aus, eingesperrt zu sein. Nur draußen im Wald finde ich Frieden. Fand ich früher Frieden. Ich meine … bis ich … jetzt …« Sein Blick glitt über die Wände und erlosch.
    »Wir bringen Sie zurück in den Wald«, sagte der Psychologe. »Sie werden wieder auf die Jagd gehen.«
    Die Augen des Lkw-Fahrers leuchteten auf.
    Bevor er ging, sagte er: »Eines Tages gehen wir zusammen. Sie wissen gar nicht, was Sie verpassen.«
    Nach ihm, um elf, war eine weitere Klientin gekommen, eine mollige Frau mittleren Alters mit dicken Fesseln, die Büroleiterin eines Rechtsanwalts aus der Stadt.
    »Ich kann kein Geld anfassen«, hatte sie gesagt, als sie sich vor mehreren Monaten zum ersten Mal getroffen hatten. »Wissen Sie, wie viele Hände mit einem Geldschein in Berührung kommen? Wie viele Mikroben von wie vielen Leuten über jeden Schein geschmiert sind, ehe er in Ihre Hände gelangt? Wo waren all die Finger dieser vielen Leute, bevor sie den Schein anfassten, der es in Ihre Hand geschafft hat? Das macht Ihnen nichts aus? Ich kann nicht einfach einen Geldschein anfassen, der durch so viele Hände gegangen ist, wenn ich keine Ahnung habe, was diese Hände berührt haben, und danach meine Kinder
berühren …« Ihr Gesicht wurde aschgrau. »Allein der Gedanke verursacht mir Übelkeit. Wenn ich jetzt zu Hause wäre, würde ich mir die Hände waschen gehen. Ich wasche mir die ganze Zeit die Hände.«
    »Was geschieht, wenn Sie diese Geldscheine berühren, ohne sich danach sofort zu waschen?«
    »Mikroben und Bakterien und Viren …«
    »Na und?«
    »Ich muss mit diesen Händen meine Kinder berühren und das Geschirr und das Essen.«
    »Na und?«
    »Dann wird alles verseucht, und im ganzen Haus breitet sich Schmutz aus.«
    »Na und?«
    »Nun … man könnte krank werden. Meine Kinder werden krank.«
    »Na und?«
    »Die Kinder werden im Krankenhaus enden.«
    »Na und?«
    »Was meinen Sie damit: Na und? Meine Kinder werden krank und bekommen … könnten Infektionen bekommen, was Gott verhindern möge. Sie könnten an so etwas sterben.«
    »Sie wollen also sagen, wenn Sie Geldscheine anfassen, ohne sich die Hände zu waschen, führt das zum Tod Ihrer Kinder?«
    Sie nickte zögernd.
    »Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert?«
    Sie wand sich auf ihrem Stuhl, zuckte die Schultern.
    »Die Menschen in Ihrer Umgebung, im Büro, zu Hause, auf der Straße, Ihre Freunde … Waschen die sich die Hände ebenso oft wie Sie?«
    »Nein. Das glaube ich nicht.«

    »Und ihre Kinder sind am Leben?«
    »Ja.«
    »Wie alt sind Ihre Kinder?«
    »Der Älteste ist fünfzehn, der Jüngere zehn.«
    »Sie lieben sie. Sie würden alles tun, um sie zu beschützen?«
    »Natürlich, alles.«
    »Fassen sie Geld an?«
    »Ah … ja.« Ihr Gesicht nahm einen niedergeschlagenen Ausdruck an.
    »Wenn es so gefährlich ist, wie kommt es dann, dass Sie das zulassen?«
    »Irgendetwas stimmt nicht mit meinem Kopf.«
    »Die Tatsache, dass Sie das erkennen, bedeutet, dass mit Ihrem Kopf im Grunde alles in Ordnung ist.«
    Sie lächelte zaghaft.
    »Ihr Problem liegt eher hier, bei Ihren Händen.« Er deutete darauf. »Und die Lösung wird ebenfalls über Ihre Hände kommen müssen.«
    Seitdem haben sie Fortschritte gemacht bis hin zur Phase der Exposition. An diesem Morgen hatte der Psychologe sie wieder einen zerknitterten Dollarschein in die Hand nehmen lassen und ihr verboten, sich auf der Toilette die Hände zu waschen. Er sah, wie sie gequält hin und her rutschte, und sagte: »Schauen Sie auf Ihre Hände, spüren Sie Ihrem Abscheu nach, nehmen Sie ihn genau wahr, berühren Sie den Dollarschein, nehmen Sie ihn von einer Hand in die andere, zerknittern Sie ihn, drücken Sie ihn zwischen Ihren Handflächen, reiben Sie sich damit über die Hände.« Von Zeit zu Zeit fragte er sie: »Auf einer Skala von eins bis zehn, wie groß ist Ihre Angst?« Und vermerkte es in seinem Notizbuch. Nach eineinhalb Stunden lehnte sie sich erschöpft und verschwitzt auf dem Sofa zurück, den
Dollarschein immer noch in der Faust. Der Psychologe sagte: »So ist es gut, Sie halten diesen Dollarschein in der Hand und stellen fest, dass Ihr Atem sich beruhigt hat, stellen fest, dass Ihre Angst auf Strich zwei der Skala
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