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Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist

Titel: Der gute Psychologe - Shpancer, N: Der gute Psychologe - The good Psychologist
Autoren: Noam Shpancer
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von Angsterkrankungen an das Krankenhaus gekommen. Eines Tages hatte er an ihre Tür geklopft, um herauszufinden, ob er sich nicht ein Buch ausleihen könnte. Sie war mitten in einem Telefonat gewesen und hatte ihm mit der Hand den Weg gewiesen. Während er die Regale absuchte, hörte er sie lachen und schnauben; er blickte auf und sah, wie sie zurückgelehnt auf ihrem Stuhl saß, mit übereinandergeschlagenen Beinen, ein großer Kopf auf einem langen, dünnen Hals, kurzes schwarzes Haar, ein üppiger Mund, ein schiefes Lächeln. Ihre Füße, gebräunt, großzügig, zogen aus irgendeinem Grund seine Aufmerksamkeit auf sich. An ihrem rechten Fußknöchel bemerkte er eine tätowierte kleine Rose. Im Laufe der Zeit wird er sie dort liebkosen und daran knabbern, und sie wird sagen: »Willst du daran riechen oder sie pflücken?«
    »Sind Sie neu?«
    »Sehe ich neu aus?« Ihr Blick – neugierig, mutwillig.
    Er betrachtete sie prüfend mit theatralisch gefurchten Brauen. »Gebraucht. Guter Zustand«, sagte er ohne zu überlegen, denn irgendetwas um sie herum sang, und ihr schräg gelegter Kopf ließ den Hals sehen, ein Stück glatter, weicher Haut.
    Sie lachte. »Wenn Sie mich zum Mittagessen einladen, vergesse ich vielleicht, beleidigt zu sein.«
    »Gut, das Mittagessen geht auf mich.«
    Mehrere Wochen später, beim Mittagessen in der Cafeteria im Kellergeschoss, sagte er: »Da ist etwas zwischen uns.«
    »Ich bin verheiratet.«
    »Na und?«

    Sie lachte: »Ich liebe meinen Mann.«
    »Natürlich, warum sollten Sie sonst heiraten? Erzählen Sie mir von ihm.«
    »Er ist von Beruf Zimmermann. Hat aber zurzeit keine Aufträge. Er ist krank. Irgendeine verfluchte Autoimmunkrankheit, die niemand wirklich behandeln oder erklären kann. Es ist kompliziert.«
    »Ihr Mann ist behindert. Was für eine Chance habe ich gegen einen behinderten Mann?«
    »Sie haben keine Chance.«
    Einige Tage später, in einem überfüllten Café in der Stadtmitte, fragte er: »Wo ist deine empfindlichste Stelle?«
    »In den Kniekehlen. Dort ist die geheime Stelle.«
    Er griff unter den Tisch und berührte sie dort. Ihr Gesicht lief rot an.
    »Mach weiter«, sagte sie. »Dir ist klar, dass wir nicht miteinander ins Bett gehen werden.«
    »Ich nehme es damit nicht so genau«, sagte er. »Wir könnten in den Park gehen, auf den Rasen …«
    Sie lächelte: »Mach weiter.«
    »Wenn ich kühn wäre oder romantisch veranlagt, würde ich dich auf der Stelle küssen.«
    »Mach weiter«, sagte sie.
    Er tat es. Und sie auch. Sie machten zusammen weiter. Sie stiegen an wie ein Fluss in der Regenzeit. Und als er ihr in die Augen sah, war es ein Gefühl, als liefe der Urknall rückwärts ab und fiele wieder in sich zusammen, als hätten das gesamte Universum, ein allumfassendes Bewusstsein, jede Materie und Elektrizität sich auf einen Schlag zu einem dunklen, massiven Kern verdichtet.
    Im Winter desselben Jahres saßen sie am Stadtrand auf einem
dunklen Feldweg im geparkten Wagen und lauschten auf die Stille draußen.
    »Ich möchte dich unfairerweise um einen großen Gefallen bitten. Es ist mir wichtig, dass wir das beide verstehen.«
    »Unfairness ist etwas, das ich intuitiv erfasse«, sagte er.
    »Ich möchte ein Kind. Mein Mann und ich versuchen es seit Jahren, aber aufgrund seiner Krankheit und wegen der Behandlungen ist es kompliziert. Die Chancen stehen nicht gut, und die Zeit …«
    »Du möchtest ein Baby mit mir.«
    »Ich werde ihn nie verlassen.«
    »Ich weiß.«
    »Nicht weil er krank ist. Weil ich ihn liebe.«
    »Ich weiß.«
    Sie wandte sich ihm zu und sah ihn an. »Schwöre mir, dass du es für dich behalten kannst, dass es für dich in Ordnung ist.«
    »Ich schwöre es.«
    »Ich könnte mich niemals revanchieren. Ich werde es nicht versuchen.«
    »Du musst dich nicht revanchieren; du bist auf der Welt und bist glücklich; selbst wenn es nicht mit mir ist, ist das genug.«
    »Wir kennen einander erst seit einem Jahr, vielleicht kürzer, und trotzdem habe ich das Gefühl, als wärst du schon immer … ich vertraue dir. Das basiert nicht auf Daten, es ist ein Bauchgefühl. Und wir beide wissen, dass man Bauchgefühlen nicht trauen sollte, und dennoch …«
    »Ich werde dein Vertrauen nicht enttäuschen.«
    »Hältst du mich für verrückt?«
    »Wir sind Psychologen.«
    »Nun, das erklärt eine Menge.«
    »Nicht alles bedarf einer Erklärung.«

    Daraufhin zog sie die Knie an den Körper, schlüpfte mit einer raschen Bewegung aus ihrem Slip, wandte
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