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Der gute Liebhaber

Der gute Liebhaber

Titel: Der gute Liebhaber
Autoren: Steinunn Sigurdardóttir
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Taxichauffeur, der bereits wieder auf dem Weg nach draußen war.
    Tschüs, Nonni, sagte die Frau, und der Mann erwiderte den Abschiedsgruß.
    Tschüs, Nonni, ließ sich H. Lúther Indriði aus einer finsteren Ecke hinter dem Tresen vernehmen.
    Dieser Nonni ist wohl so etwas wie ein Original hier auf der Halbinsel?, fragte der Reisende.
    Das sind doch hier bei uns alle, sagte die Frau. Er wohnt ganz in der Nähe.
    Und wo wohnst du?
    Silberstrand fünf. Was wolltest du eigentlich dort?
    Mir war einfach nach einer kleinen Autofahrt am Meer zumute. Die übliche Runde im Zentrum kam mir irgendwie richtungslos vor. Deswegen habe ich eine beliebige Adresse genannt. Silberstrand war ein purer Zufall.
    Ich werde es Una wissen lassen, sagte die Frau und gab etwas von sich, was wohl ein Lachen sein sollte, aber es klang wie ein dumpfes Knurren. Als hätte ein müder Hund etwas Komisches gehört und am liebsten gelacht.
    Das ist doch nicht nötig.
    Stimmt, es ist nicht nötig. Aber Una entgeht nichts.
    Der Mann, der Una liebte, schwieg und ließ sich diesen Satz durch den Kopf gehen:
Una entgeht nichts.
    Bist du verheiratet?, fragte die Frau.
    Ich bin geschieden.
    Und woher kam sie?
    Aus Deutschland.
    Die haben meist ihre Qualitäten. Wie beispielsweise die deutschen Frauen, die nach dem Krieg hierherkamen, das waren gestandene Frauen, die konnten schuften wie die Berserker.
    Sie war zwar energisch, aber sie war keineswegs gestanden.
    Es war so komplett undenkbar gewesen, irgendeine Frau zu heiraten, gar nicht zu reden von einer gestandenen. Eine gestandene Frau wäre noch nicht einmal als Liebhaberin für ihn in Frage gekommen. Das war das Wort, das er für seine Frauen verwendete, nicht Bettgespielin, nicht
one-night-stand
, sondern sie waren seine Liebhaberinnen, obwohl es mit Liebhaben überhaupt nichts zu tun hatte. Es ging nur um eine Art von Bodenkontakt, näher konnte er einer greifbaren Liebe nicht kommen.
    Habt ihr Kinder miteinander?
    Nein.
    Und du? Hast du Kinder?
    Nein. Das war ein Risiko, auf das ich mich nicht einlassen wollte. Ich war schon in jungen Jahren entschlossen, keine Kinder in die Welt zu setzen. Mit einem Kind kann so vieles schiefgehen, und dann ist ein ganzes Leben zerstört. Ich bin enorm froh, kein Kind zu haben. Trotzdem liebe ich Kinder, ich verstehe sie, und das spüren sie. Sie kommen zu mir.
    Kinder sind eine Spezies, die ich nicht verstehe. Auf Langstreckenflügen sind sie lästig.
    Dir entgeht vieles, wenn du kein Kind kennst.
    Ist das nicht eine gute Definition für das Leben? Einem entgeht vieles.
    Einige bekommen viel zum Ersatz, wenn sie viel verpassen. Andere dagegen bekommen weniger als nichts dafür, viel zu verpassen. Du gehörst wohl zu der Gruppe derer, die viel dafür bekommen, dass sie viel verpassen.
    Der Reisende überlegte, ob das auf ihn zuträfe, auf seine Häuser, seine Reisen, seine Liebhaberinnen, plus eine gehörige Portion Luxus: ob er viel dafür bekommen hatte, etwas zu verpassen. Una mit den Augen, denen nichts entging. Una, die in dem Haus am Meer schlief. Auf der Halbinsel, wohin es ihn wie Strandgut verschlagen hatte. Nein, es lag doch wohl näher zu sagen, dass er vieles bekommen hatte statt viel. Menge statt Qualität?
    Und du selber?
    Schwer zu sagen. Ich habe zumindest keine finanziellen Sorgen. Morgens gehe ich ins beste Schwimmbad von Island, das ist wunderbar, und ich saune gern.
    Der Reisende hätte am liebsten laut gelacht. Diese Saunafrau sah nämlich tatsächlich irgendwie vernebelt und verwässert aus, wo man auch hinblickte: die Augen, die Haare, die Hautfarbe. Beinahe, als ob ihr ein Farbgen fehlte. Intelligent war sie allerdings.
    Wenn es um eine Liebhaberin ging, verschwendete er keinen Gedanken daran, ob sie intelligent war oder dumm. Man musste sich nur angenehm mit ihr unterhalten können, und sie durfte keine hässliche Stimme haben. Humor musste sie haben oder zumindest verstehen, auch wenn sie ihn nicht unbedingt ins Spiel brachte. Eine Schönheit musste sie nicht sein, aber elegant. Makellos. Und natürlich schlank.
    Das war sein Maßstab, aber bedauerlicherweise hatte er eine Schwäche für etwas molligere, um nicht zu sagen üppige Frauen, die seiner Meinung nach fast schon ans Absonderliche grenzte, deswegen wählte er sich so gut wie immer schlanke Liebhaberinnen. Wenn er seiner Schwäche nachgab und sich eine molligere Frau leistete, war das Vergnügen aber erheblich größer. Die letzte war nicht unter fünfundsiebzig Kilo gewesen.
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