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Der gute Liebhaber

Der gute Liebhaber

Titel: Der gute Liebhaber
Autoren: Steinunn Sigurdardóttir
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Sie sind unheimlich nett zu mir. Leute, die keine Kinder haben, sind häufig besonders nett zu den Nachbarn. Leute mit Kindern haben keine Nettigkeit für andere übrig.
    Du müsstest doch Gesellschaft finden können, wenn dir wirklich etwas daran gelegen wäre.
    Das weiß ich. Ja, natürlich könnte ich das, aber die Menschen sind so anstrengend. Manche Freunde rufen noch nach Mitternacht an. Ich hatte so einen Freund. Das geht einfach nicht. Meist bin ich schon um zehn im Bett.
    Heute Abend hast du deine Bettzeit überschritten.
    Hin und wieder kann ich nicht schlafen, dann seh ich zum Fenster hinaus. Und du bist durch die Dunkelheit gekommen.
    Im Dunkeln aus dem Fenster schauen, wozu?
    Das würdest du verstehen, wenn du ich wärest. Im Februardunkel verbirgt sich so viel. Es ist eigentlich finsterer als im Dezember, aber es hat auch etwas Anheimelndes, weil man weiß, dass es bald ein Ende damit haben wird. Im April ist es schon strahlend hell, und zwischen Februar und April liegt nur ein Monat.
    Daran erinnere ich mich.
    Die Monate, in denen Una und du euch kennengelernt habt.
    Una und ich?
    Die Frau, der die Rose zugedacht ist.
    Sie war niemandem zugedacht. Mir war so kalt an den Händen, dass ich sie loswerden musste.
    Sie findet sie morgen früh. Sie weiß, von wem sie kommt.
    Was willst du von mir?
    Una hat mir von dir erzählt.
    Er hatte nicht vorgehabt, den Whisky auszutrinken. Jetzt leerte er das Glas in einem Zug.
    Ich bin fix und fertig, sagte er zu seiner Trinkgenossin. Entschuldige mich bitte.
    Mach ich.
    Vielen Dank für das Gespräch, sagte er und stand auf.
    Soll ich dir nicht ein Taxi bestellen?, fragte H. Lúther Indriði, der inzwischen noch ordentlich nachgetankt hatte.
    Glaubst du, dass du das schaffst, hörte der Reisende sich sagen, als spräche da jemand anderes. Ein Deutschamerikaner, oder ein Amerikadeutscher. Es war sonst nicht seine Art, so mit Leuten zu reden, und auf gar keinen Fall mit Kellnern. Im Restaurant konnte man fast den Eindruck haben, als entschuldigte er sich dafür, ein bestimmtes Gericht oder einen Wein zu bestellen. Oder als vergewisserte er sich quasi, ob er das Richtige tat. Ob er sich überhaupt an diesem Ort aufhalten dürfe. Wenn es vorkam, dass eine Weinflasche nicht in Ordnung war, klang seine Beanstandung so, als trüge er selber die Schuld daran. Mehr als eine Liebhaberin hatte das zur Sprache gebracht. Das waren die herrschsüchtigen Frauen, doch glücklicherweise gelang es ihm zumeist, sie zu meiden.
    Kein Problem, sagte H. Lúther Indriði und bestellte das Taxi in vollendeter Manier.
    Wer ist eigentlich auf die Idee gekommen, diese Bar Das Gelbe Schaf zu nennen?, fragte der Reisende.
    Das war meine Idee. Smarte Namen für Bars finde ich unerträglich. Bars sollten alberne Namen haben. So geschmacklos wie möglich.
    Das ist dir gelungen.
    Ja, findest du nicht? Es gibt wohl nichts Ätzenderes als Das Gelbe Schaf. Aber es zieht. Die Leute sind ganz versessen darauf, sich im Gelben Schaf volllaufen zu lassen, schafsdumm, wie sie sind.
    Es gibt doch so einen Preis für Geschmacklosigkeit, den hättest du bekommen sollen.
    Den habe ich bekommen.
    Die Tür zum Gelben Schaf öffnete sich. Ein Windstoß löschte zwei Kerzen aus. Der Mann, der hereinkam, hatte wegen des Wetters den Kopf eingezogen und wirkte halslos.
    Du hast ein Taxi bestellt.
    Das ist kaum mehr als eine Minute her, sagte der Reisende, der jetzt den Taxichauffeur Nonni erkannte.
    Ich hatte es nicht weit. Ich halte mich an die Halbinsel, wenn es dunkel wird.
    Die nebelhafte Saunafrau war zum Tresen gekommen und fragte den Reisenden, ob sie ein Stück mitfahren dürfe.
    Fahren oder wallen, ganz nach Wunsch, hörte er sich selber sagen.
    Vielen Dank, sagte er daraufhin zu H. Lúther Indriði.
    Im Gegenteil, ich habe zu danken. Hoffentlich auf ein Wiedersehen.
    Ich habe zu danken
. Was hätte H. Lúther Indriði im Hôtel Meurice zu den Stars und Geldmagnaten dieser Welt gesagt?
    Er schreckte aus seinen Gedanken auf, als der Taxichauffeur Nonni ihm wieder mit dem Rosenstrauß vor der Nase herumwedelte.
    Und vergiss bloß nicht noch mal die Blumen, sagte er knurrig. Ich habe Besseres zu tun, als Leuten wie dir auf den Fersen zu bleiben.
    Wegen dieser unseligen Rosen musste der Reisende seine gesamten Kräfte aufbieten, um der Taxitür einhändig Herr zu werden. Eine Sturmbö hätte sie beinahe aus den Scharnieren gerissen, als er einstieg. Unterdessen bemühte sich Nonni, die Frau heil und unversehrt
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