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Der gute Liebhaber

Der gute Liebhaber

Titel: Der gute Liebhaber
Autoren: Steinunn Sigurdardóttir
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auf dem Rücksitz zu verstauen.
    Hier draußen auf der Halbinsel ist der Wind so böig, sagte die Frau. Ihrer Aussprache nach zu urteilen kam sie aus dem Südosten.
    Stammst du aus dem Skaftafell-Bezirk?, fragte der Reisende.
    Halbwegs aus dem westlichen Teil, antwortete die Saunafrau. Es gibt keinen schöneren Ort auf dem Land.
    Schade, sagte der Reisende, dort war ich nämlich noch nie. (Was sollte eigentlich diese Lüge? Ástamama stammte von daher, und er war oft dort gewesen.)
    Als Nonni endlich losfahren konnte, prasselte ein Hagelschauer los, so dicht, dass die Straßenlaternen und die übrigen noch nicht gelöschten Lichter auf Seltjarnarnes wie hinter einem Vorhang verschwanden. Im Taxi herrschte Stille. Vielleicht war die Frau nach zwei Whiskys eingeschlafen, sie ging ja normalerweise auch viel früher zu Bett. Vielleicht war der Reisende selber ebenfalls eingenickt. Auf jeden Fall schreckte er hoch, als sie fragte:
    Man darf dich wohl nicht auf einen Abschiedstrunk ins Haus bitten?
    War ein Abschiedstrunk nicht eine selbstverständliche Fortsetzung, wo er nun schon einmal im Gelben Schaf angefangen hatte zu trinken? Nein, was für ein Unsinn, er musste zu seiner Unterkunft im Dachgeschoss, um die Tankstelle zu betrachten und sich die größte Seligkeit der Welt in Erinnerung zu rufen, bis er in dem weißen Sessel am Fenster einschlafen würde.
    Allerdings stand die Frage im Raum, ob er sich trauen konnte, auch nur einen Häuserblock weiter mit diesem ständig wie einem Wiedergänger aufkreuzenden Taxichauffeur zu fahren. Der hatte wahrscheinlich bloß vor, seinen elegant gekleideten Fahrgast zu berauben. Hatte er nicht schon ganz genau kalkuliert, dass es sich hier um einen Mann mit größeren Mengen an Bargeld handelte? Vielleicht hatte er auch versehentlich seine Brieftasche mit all den Scheinen viel zu weit geöffnet, als er die Fahrt zum Silberstrand bezahlte.
    Ich kann dich aber gern ins Zentrum bringen, sagte der Taxichauffeur.
    Was sollte das denn? Seit wann musste ein Taxifahrer eigens erwähnen, dass er bereit war, einen irgendwo hinzubringen? Jemand, der so redete, konnte doch wohl nicht ganz bei Trost sein. War das ein Psychopath, womöglich gefährlich? Die Saunafrau war höchstwahrscheinlich auch verrückt, aber wohl kaum gefährlich. Und mit ihr würde er es im Falle einer tätlichen Auseinandersetzung aufnehmen können – was bei dem Taxichauffeur nicht so sicher war.
    Ja, vielleicht nehme ich die Einladung an, sagte er.
    So gefällst du mir, sagte die Frau und fügte hinzu: Übrigens, da fällt mir ein – ich heiße Sigríður.
    Karl Ástuson, der Reisende, der nicht darauf erpicht war, seinen Namen zu sagen, schnappte sich die verdammten Rosen, um nicht Gefahr zu laufen, dass dieser Nonni ihm weiterhin auf den Fersen blieb. Er ließ Sigríður das Taxi bezahlen, da er nicht vorhatte, nochmals mit seiner prallgefüllten Brieftasche herumzuwedeln, und er stieg am Silberstrand fünf als Erster aus. Im Nachbarhaus schlief eine Frau im blauen Pyjama, eine Frau, die Una hieß und bestimmt manchmal träumte, und zwar nicht nur des Nachts, von der Zeit, die ihnen beiden gehört hatte. Vom Silvesterfeuer an und den ganzen Winter lang, im Frühjahr, während des Abiturs und dann noch den größten Teil des Sommers.
    Der Hagelschauer endete so plötzlich, als würde ein Kran zugedreht. Der Wind hielt den Atem an, und ein halber Mond beleuchtete fliehende Wolken. Kaltes Licht fiel auf das Haus der inniggeliebten Frau und vor allem auf die Kiefer an der Grundstücksgrenze zu Nummer fünf. Nun würde er das Nachbarhaus zu einem Abschiedstrunk betreten.
    Abschiedstrunk! Das war keine komplizierte Angelegenheit. Aber was danach? Wie sollte er wieder von dort wegkommen? Ein Taxi anrufen? Würde dann nicht Taxichauffeur Nonni ein weiteres Mal auftauchen, um endlich sein Ding zu drehen? Was für ein Ding? Nein, es gab wohl keine andere Möglichkeit, als in dem Haus der Spukfrau zu schlafen und darauf zu warten, dass die Busse am nächsten Morgen wieder durch die Stadt zuckelten. Ohne Mütze zu Fuß ins Zentrum zu gehen, war ausgeschlossen, denn peitschende Hagelschauer folgten dicht aufeinander.
    Würde er noch ein weiteres Mal nach Island kommen, wäre er gezwungen, sich einen Mietwagen zu nehmen, da er nicht die geringste Lust hatte, ein weiteres Mal Gefahr zu laufen, diesem Nonni und den gelben Rosen ausgeliefert zu sein. Aber er würde nicht wiederkommen, das hier war die letzte Reise. Er hatte für
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