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Der gute Liebhaber

Der gute Liebhaber

Titel: Der gute Liebhaber
Autoren: Steinunn Sigurdardóttir
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hüllt sich mehr in Geheimnisse als jemand, der schreibt. Er macht sich alle Verschleierungstechniken zu eigen. Saugt sie womöglich schon mit der Muttermilch auf. Worte dienen ihm zur Verschleierung, nicht zur Enthüllung. Im Gegensatz zu Schriftstellern können sich bildende Künstler und Komponisten nicht für jemand anderes ausgeben. Ihre Kunst ist nackt. Worte sind da, um zu verhüllen. Der Schriftsteller erscheint in seinem Werk wie eine Mumie unter dem Röntgenschirm. Und eine durchleuchtete Mumie ist unverständlich, es sei denn für Universalisten.
    Die Außerirdische hatte gesprochen. Der Reisende sah sie sprachlos an. Es war an der Zeit, sich in Sicherheit zu bringen.
    Nichts wie weg, und zwar dalli, sagte er zu sich selber, doch der Wille war geschwächt durch den chronologischen Wirrwarr von grünen Strandhügeln, einer Tankstelle und einer Frau, die nach siebzehn Jahren an einem Fenster erschien und sich in einen Schatten verwandelte. Er stand wie angewurzelt da und hörte sich sagen: Was darf ich dir anbieten?
    Dasselbe, was du trinkst, entgegnete die Frau dumpf.
    Er bestellte mehr von demselben und blätterte achttausend Kronen hin. Er war ein Mann, der nach Möglichkeit immer bar bezahlte, und Lotta kümmerte sich darum, dass er immer genug Cash besaß. Diesmal aber hatte er höchstpersönlich den Geldautomaten am Flughafen in Keflavík benutzen müssen und das als ebenso drastisch und peinlich empfunden, als hätte er sich in aller Öffentlichkeit Kondome gekauft. Ein Geldmensch, der sichtbar mit großen Scheinen herumwedelte.
    Ein hervorragender Whisky, erklärte die Frau in einem Ton, als würden ihr die Sinne schwinden.
    Erstaunlich, dass diese Sorte hier geführt wird.
    Lúther Indriði ist der beste Barkeeper in der Stadt. Wir sind verwandt.
    Das Nächste sagte sie halbwegs im Flüsterton, so als hätte ihre Unterhaltung jetzt das vertrauliche Stadium erreicht.
    Mit vollem Namen heißt er Hreinn Lúther Indriði, verwendet aber eigentlich nur Lúther, es sei denn im Schriftverkehr, dann schreibt er H. Lúther Indriði, weil H im Alphabet früher kommt als L. Das kann unter Umständen von Nutzen sein.
    H. Lúther Indriði pusselte leise in seiner schummrigen Welt hinter der Bartheke herum. Der beste Barkeeper der Stadt sprach seine Kunden nicht von sich aus an, auch wenn sie mit ihm verwandt waren. Der beste Barkeeper der Stadt mischte sich nicht ein, wenn sich an der Bar ohne sein Dazutun zwischen zwei Unbekannten Gespräche mit Inhalt entwickelten.
    Der Reisende fühlte sich schwach in den Knien, und er musste sich wie jemand im fortgeschrittenen Stadium des Suffs an den Tresen lehnen. Eine derartig unwürdige Position behagte ihm aber nicht, deswegen fragte er, ob sie sich nicht lieber setzen sollten.
    Unbedingt.
    Sie ging vor ihm her zu einem Tisch in der Ecke, die am weitesten von den beiden Rauchern entfernt war. Auf dem Tisch standen zwei Kerzen und zwei Rosen, der Barkeeper hatte sich selbst übertroffen. Der Reisende blickte scharf auf die Rosen und konnte nicht leugnen, dass er an diesem Abend eine Rose auf einen Gehsteig geworfen hatte. Was würde die Frau in dem Haus morgen früh sagen, wenn sie plötzlich vor der Rose stünde, und was würde dieser Ingi Bói, oder wie er nun hieß, sagen, wenn er sie noch vor ihr fände? Glücklicherweise hatten sie kein Kind, das einen Schock bekommen könnte, wenn es auf dem Weg zur Schule eine dreidimensionale vereiste Rose auf dem Gehsteig zum Haus finden würde.
    Die Frau stand auf. Er überlegte, ob sie jetzt den Abgang machen würde, weil er unhöflicherweise geschwiegen hatte, nachdem sie Platz genommen hatten, doch sie kam mit einer Kanne Wasser und zwei Gläsern zurück. Mussten hier jetzt schon die Kunden servieren? Was war mit H. Lúther Indriði los, dem Stadtbesten?
    Der Reisende hatte nicht bemerkt, dass jemand hereingekommen war, aber da stand auf einmal jemand, ein Mann mit einem Rosenstrauß. War es vielleicht auch in Island schon üblich, Rosen in Bars zu verkaufen?
    Der Mann mit den Rosen hielt Umschau, marschierte dann geradewegs auf den Reisenden zu und hielt ihm den Strauß unter die Nase: Bitte sehr, die hast du in meinem Wagen vergessen, als ich dich vorhin zum Silberstrand drei gefahren habe.
    Danke.
    Es wäre schon schön, wenn die Fahrgäste nicht andauernd irgendwelchen Scheißkram auf dem Rücksitz liegenlassen würden.
    Darf ich dir einen Finderlohn anbieten?
    Mensch, komm mir bloß nicht mit so was, sagte der
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