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Der gute Liebhaber

Der gute Liebhaber

Titel: Der gute Liebhaber
Autoren: Steinunn Sigurdardóttir
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Glück ist transparent.
    Dieser Satz klang wie ein weiser Spruch, von dem er eigentlich wissen müsste, woher er stammte. Aus dem Orient?
    Liina fuhr fort: Zum einen lag es wohl daran, dass das Leben nicht ihren Ansprüchen entsprach. Deshalb fiel mir eine ganz seltsame Rolle zu, sie war nicht besonders erhebend, aber ich hatte mich damit abgefunden. Deswegen habe ich ihr auch geholfen, das Buch zu schreiben und noch etwas weiterzuleben. Sie hat für dieses Buch gelebt. Und ich lebte für Doreen und auch für das Buch. Jetzt ernte ich die Früchte, ich sehe, wie unser
Guter Liebhaber
mit jedem Leser avanciert. Ich werde sogar reich werden, in Geld gesprochen, denn all ihre Royalties gehen an mich. Doreen hat es so verfügt. Und wenn ich richtig investiere, kann ich vielleicht von diesem Geld leben, bis ich hundert werde, und brauche nie wieder einen Finger zu rühren.
    Ich gratuliere.
    Danke, sagte Liina und stand etwas rascher auf, als man es von einer professionellen Psychologin am Ende einer Sitzung erwartet hätte.
    Karl Ástuson stand ebenfalls hastig auf und hörte sich selber sagen: Ich fühle mich eigentlich wie ihr drittletzter Mohikaner. Sollte ich mich vielleicht mit den anderen beiden treffen?
    Liina lachte: Mein Lieber, du darfst Robin und Markson nicht ins Gehege kommen. Kümmere dich um dein eigenes Leben. Das ist das Beste, was du für Doreen tun kannst.
    Ja, natürlich. Es war ein blödsinniger Vorschlag.
    Ja, das ist korrekt. Lass dich nicht von Doreen und ihren Mohikanern vereinnahmen. Die Frau ist tot.
    Ich weiß.
    Danke, dass du gekommen bist. Es hat mir gutgetan. Ich kenne praktisch niemanden, mit dem ich über sie reden kann. Es wäre zwar verlockend, Robin und Markson einzuladen, aber meiner Meinung nach wäre es unprofessionell. Sie ist ihre Psychiaterin über Tod und Grab hinaus, und im schlimmsten Fall würde dadurch der Erfolg von ihrer und Melanie van der Steins Behandlung in Frage gestellt.
    Hattet ihr keine gemeinsamen Freunde, mit denen du sprechen kannst?
    Ach, die sind so unbedarft, das wäre schlimmer als nichts. Am schlimmsten ist ihr Verleger – verliebt in sie und am Boden zerstört. Er nimmt es persönlich, dass sie ihrem Leben ein Ende gesetzt hat. Als hätte er das verhindern können. Stell dir vor, auf was für verrückte Ideen die Menschen kommen. Und es geht mir auf die Nerven, wie wenig Haltung er an den Tag legt. Wenn irgendjemand am Boden zerstört sein sollte, dann ich.
    Das ist wahr. Ich verstehe nicht, wieso du eine solche Haltung bewahren kannst.
    Das hast du bereits zweimal gesagt.
    Aller guten Dinge sind drei.
    Liina verstummte und sagte dann auf einmal: Weißt du, ich habe mehr bekommen, als ich verdiene. Es ist doch so selten, dass man bei seiner einzigen Liebe sein darf – das kann man nur als einmaliges Geschenk und Privileg einordnen, auch wenn die Bedingungen vielleicht nicht günstig waren. Denk daran, was du besitzt. So etwas sollte eigentlich kaum möglich sein.
    Ohne Doreens Eingreifen wäre es auch nicht möglich. Ich verstehe es einfach nicht. Ich verstehe nichts von allem. Ich befand mich urplötzlich im Nachbarhaus von Una, bei einer Frau, die gut mit ihr befreundet war. Eine unglaublich hilfsbereite Frau, aber man wusste gar nicht, woran man mit ihr war. Mir kam sie vor wie eine Spukgestalt.
    Doreen hat mir davon erzählt. Aufgrund meiner Arbeit bin ich natürlich an Erstaunliches gewöhnt, aber diese Geschichte ist wirklich einmalig. Es endet wohl damit, dass ich dich im Altersheim besuche, um das Ganze noch einmal zu hören und hoffentlich noch mehr.
    Sei mir willkommen, ich werde dich holen lassen.
    Das ist nicht nötig. Ich komme selber.
    Darf ich dir zum Abschied einen Kuss geben?, fragte Karl Ástuson, immer derselbe liebenswürdige Sohn seiner Mutter.
    Tu das, sagte sie und deutete auf ihre Wange. Irgendetwas an dieser Bewegung erinnerte Karl Ástuson erbarmungslos an Doreen Ashs dominante Allüren im Bett.
    Kein Grund, um rot zu werden, sagte Liina Minuti.
    Karl Ástuson nahm die Geliebte von Doreen Ash in die Arme und küsste sie resolut auf die Wange.
    Also dann, sagte er. Ich danke dir, dass du mich so nett in Empfang genommen hast.
    Danke dir höchstselbst, entgegnete sie und ließ ihn hinaus.
    Auf dem ganzen Weg nach Hause hallte es in seinem Kopf wider –
höchstselbst
. Das Wort hatte, mit schwarzer Tinte geschrieben, in seinem Exemplar des
Guten Liebhabers
gestanden. Der Verdacht, dass Liina Minuti die Widmung kannte und die
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