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Der gute Liebhaber

Der gute Liebhaber

Titel: Der gute Liebhaber
Autoren: Steinunn Sigurdardóttir
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indem er stundenlang an das dachte, was der Koffer enthielt, meist unter den Klängen der
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-Arie von Purcell. So wirkungsvoll war diese Methode, dass alles andere schließlich weichen musste – Hokuspokus!, und zwei, bald drei lebten von da an im Glück.
    Er nahm den Pullover aus dem Koffer und verschloss ihn wieder, stellte ihn mit dem Buch und dem Ja-Tango wieder an seinen Platz. Das Buch würde weiterhin sein Geheimnis bleiben. Nur wenn er vor Una stürbe, was er auf keinen Fall wollte, würde sie es herausfinden, sonst nicht. Er hatte schon vor langer Zeit festgesetzt, dass das Buch ihm mit ins Grab gegeben werden sollte. Lotta hatte dafür gesorgt, dass diese Verfügung in das Testament aufgenommen wurde.
    Es war eine historische Stunde gewesen. Lotta hatte schwer gegen eine ungeschriebene Regel verstoßen und kalt gefragt, was denn an einem Mathematikbuch so besonders sei.
    Die Antwort war unmissverständlich:
Nichts, nur dass ein ganzes Leben in diesem Buch begraben ist
.
    Er konnte es kaum glauben, dass er nun tatsächlich im Begriff war, diesen Raum zu verlassen, mit einem kleinen Pullover in der Hand. Er ging auf den Balkon, wo er Una den Pullover zeigte und ihr endlich diese Geschichte erzählte.
    Da erst kamen Una die Tränen. Sie tropften auf veilchenblaue Maschen, und sie sagte dem Mann, mit dem sie noch nicht verheiratet war, dass sie ihn liebte, dass sie außer ihm nie jemanden geliebt hatte, dass sie ihn immer lieben würde. Daraufhin wurde das Weinen hemmungslos, und sie schluchzte immer noch, als sie ihm sagte, sie wolle seinen Namen annehmen und Una Ástuson heißen, obwohl sie eigentlich gegen diese ausländische Unsitte war, dass die Frauen bei der Heirat den Namen des Mannes annahmen.
    Als sie sich wieder beruhigt und das Marzipanhörnchen einverleibt hatte, unterhielten sie sich weiter über Namen und auch über Taufnamen. Sie einigten sich darauf, dass Karl den Namen wählen durfte, wenn es ein Mädchen würde, und bei einem Jungen dürfte Una bestimmen. Und dass Sigríður vom Silberstrand fünf Taufpatin sein sollte, vorausgesetzt, dass es ihr nicht ernst mit ihrer Behauptung gewesen war, sie werde nie wieder reisen.
     
    An dem Tag, als sich herausstellte, dass Una ein Mädchen unter dem Herzen trug, musste Karl Ástuson schnell einmal nach New York hinüber. Wie geplant, begann er seine Mission an der Ecke der 7. Avenue und 55. Straße, von wo aus er sie aus der Entfernung erblickt hatte, eine Frau allein auf dem Gehsteig, als die Sonne sich an einem trüben Tag unerwartet Bahn durch die Wolken gebrochen hatte. Er versetzte sich zurück in die Stunde, als er die Hebamme seines neuen Lebens in einem weißen Wickelkleid getroffen und angesprochen hatte:
    Man hält es drinnen einfach nicht aus, wenn die Sonne endlich durchkommt.
    Sie:
Solange ich denken kann, bin ich der Sonne nachgelaufen
.
    Er:
Nur gut, dass es nicht der Regenbogen war
.
    Und sie blickte zu ihm auf, als hätte er etwas Bedeutsames gesagt (von dieser Miene war im
Guten Liebhaber
keine Rede gewesen, da die Autorin ihren eigenen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte), und stieß dann rasch mit ihm an. (Das Zuprosten hatte sie allerdings nicht ausgelassen.)
    Und später hatte er erfahren, dass die Sonnenanbeterin in Frieden und in heller Morgensonne sterben durfte.
    Die nächste Station war ein Blumengeschäft, wo es passend gewesen wäre, Blumen für Doreen Ash zu kaufen, und sei es auch nur eine einzige Rose, bevor sie zusammen essen gingen. Der Gedanke war ihm zwar gekommen, aber er fand die Geste zu sentimental. Und er hatte es auch ein zweites Mal versäumt, ihr Blumen zu schenken – auf der Party zum Erscheinen ihres Buchs.
    Nun war sie tot, und erst jetzt bekam sie Blumen. Fünfundzwanzig gelbe Rosen. Er hatte keine Ahnung, was Doreen Ash von Rosen oder der Zahl fünfundzwanzig hielt, und noch weniger, ob sie die Farbe Gelb hässlich oder schön fand. Ihm fiel nur nichts anderes ein, und sie passten auch genau zu der herrlichen Zeit, der Sommer war nicht mehr nur ein Versprechen, sondern er war mit allem Drum und Dran eingetroffen, höhere Höhen konnte er nicht erreichen. Genauso wenig wie sein eigenes Leben, das Hochsommerleben mit Una und dem Kind, das unterwegs war. Einem Mädchen noch dazu, das vor Ende des Jahres auf die Welt kommen würde.
    Doreen Ash hatte sich danach gesehnt, ein Kind zu bekommen, und zwar mit ihm
höchstselbst
. Er hätte das begreifen müssen, als sie sich in ihrer Praxis
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