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Der Große Krieg: Der Untergang des Alten Europa im Ersten Weltkrieg (German Edition)

Der Große Krieg: Der Untergang des Alten Europa im Ersten Weltkrieg (German Edition)

Titel: Der Große Krieg: Der Untergang des Alten Europa im Ersten Weltkrieg (German Edition)
Autoren: Adam Hochschild
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wiederkehrende Wellen von Nationalismus wurden durch die Spannung zwischen den verarmten katholischen Pachtbauern und den wohlhabenden protestantischen Großgrundbesitzern geschürt. Bei einem dieser Konflikte wurden Frenchs Truppen gerufen   – natürlich von den Großgrundbesitzern. Ein erboster irischer Landarbeiter lief auf French zu und durchtrennte die Achillessehnen seines Pferdes mit einer Sichel.
    Schon bald wurde der wohlgelittene French zum Hauptmann befördert. Eine unbedachte frühe Heirat fand ein rasches Ende und wurde später aus seiner offiziellen Biographie gestrichen, weil die viktorianische GesellschaftScheidungen aufs schärfste missbilligte. Wir sind auf Vermutungen angewiesen. Mit 28 Jahren heiratete French erneut, diesmal in prachtvollem Rahmen. Eleanora Selby-Lowndes war die Tochter eines jagdbesessenen Landedelmanns, die ideale Gefährtin für einen allseits beliebten Kavallerieoffizier mit besten Aussichten. Er schien seine frischvermählte Ehefrau aufrichtig zu mögen, obwohl ihn das nicht davon abhalten sollte, sich von einer Affäre in die nächste zu stürzen.
    Sportlichen Tugenden wurden in der Armee, in der French die Karriereleiter erklomm, höchste militärische Bedeutung beigemessen. Ein Offizier dieser Zeit hinterließ seinem Regiment testamentarisch über 70   000 Pfund, unter anderem um den »Männersport« zu fördern.   9 Einige Regimenter hielten eigene Meuten, damit die Offiziere sich für die Fuchsjagd nicht einen Tag freizunehmen brauchten. In einem Buch aus dieser Zeit   – Modern Warfare von Frederick Guggisberg, einem späteren Brigadegeneral   – wurde der Krieg mit Rugby verglichen: »Eine Armee versucht, in der Schlacht zusammenzuarbeiten   … ganz so wie eine Rugbymannschaft zusammenspielt   … Die Armee kämpft für das Wohl ihres Vaterlandes, wie die Mannschaft für die Ehre ihrer Schule spielt . Regimenter stehen einander bei, wie es die Spieler tun, wenn sie   … den Ball von einem zum anderen passen ; todesmutige Angriffe und heldenhafte Verteidigung entsprechen glänzenden Flügelläufen und sauberem Tackling .«   10 Von der Ähnlichkeit des Kriegs mit einer anderen Sportart, dem Kricket, handelte eines der berühmtesten Gedichte jener Tage, Vitai Lampada (»Die Fackel des Lebens«) von Sir Henry Newbolt:

    Atemlose Stille liegt heut Abend über dem Kampf –/
    noch zehn zu machen, und das Spiel ist gewonnen –/
    ein gewaltiger Wurf und ein blendendes Licht, /
    noch eine Stunde zu spielen, und der letzte Mann drin/
    und es geht nicht um bebänderte Jacken, /
    nicht um die eitle Hoffnung auf den Ruhm einer Saison, /
    sondern es ist die Hand des Captains, die seine Schulter packt   – /
    »Auf, Leute ! Auf ! Und spielt das Spiel !«

    D er Wüstensand ist rot getränkt,   – /
    rot von den Resten des zerschlagenen Karrees;   – /
    Die Waffe klemmt, der Oberst tot/
    und die Männer blind von Staub und Rauch, /
    über seine Ufer steigt der Totenfluss /
    und England ist weit und Ehre ein Wort, /
    da schließt der Ruf eines Schülers die Reihen: /
    »Auf, Leute, auf ! Und spielt das Spiel !« [1]
    Das Gedicht überdauerte; als Leutnant George Brooke von den Irish Guards 1914 bei Soupir in Frankreich von einem deutschen Granatsplitter tödlich verwundet wurde, waren die letzten Worte an seine Männer: Play the game .   11
    Für den jungen John French schien dieser blutgetränkte Wüstensand lange Zeit unerreichbar. Von dem sichelschwingenden irischen Landarbeiter abgesehen, überschritt er die Dreißig ohne die geringste Kampferfahrung. Bis er 1884 schließlich auf einen Außenposten abkommandiert wurde, der das wahre Leben versprach: einen Kolonialkrieg im Sudan. Endlich erlebte er das Kampfgeschehen, von dem er lange geträumt hatte, als die von ihm befehligten Truppen erfolgreich den Überraschungsangriff eines Feindes zurückschlugen, der, vorwiegend mit Schwertern und Speeren bewaffnet, aus einer Schlucht hervor stürmte. Das war das wahre Leben: Handgemenge, aufständische »Eingeborene«, die lehrbuchmäßig von einer disziplinierten Kavallerie und britischem Kampfgeist besiegt wurden. Er kehrte mit dem Lob seiner Vorgesetzten, Orden und einer   – im jugendlichen Alter von 32 Jahren ungewöhnlichen   – Beförderung zum Oberstleutnant nach England zurück. Nur wenige Jahre später, ein wenig o-beinig von   einem Jahrzehnt auf Pferderücken, übernahm er das Kommando der19 th Hussars. Durch die Wände der Kommandeurswohnung konnten
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