Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Grenzgänger

Der Grenzgänger

Titel: Der Grenzgänger
Autoren: Kurt Lehmkuhl
Vom Netzwerk:
und reckte sich. „Du übernimmst die Verteidigung und versuchst, das Beste für unsere Mandantin herauszuholen.“
     
     
    Entspannt sank ich in meinen Schreibtischsessel zurück, griff zum Telefon und wählte mechanisch eine Nummer bei der Aachener Zeitung. Dort arbeitete ein Journalist namens Hermann-Josef Sümmerling, dem ich schon mehrfach Tipps gegeben hatte und der im Gegenzug Informationen für mich bereithielt oder mir besorgte. Dabei versuchte er, jeglichen offiziellen Kontakt mit mir zu meiden, um nicht in den Ruf der Kungelei zu geraten. Seine Vorsicht ging sogar so weit, dass ich auf sein Bitten hin seinen Namen fast nie erwähnte, um nicht Dritten Hinweise auf unseren Informationsaustausch zu liefern.
     
     
    Wie sei es möglich, dass ich im Radio vom Mord an einem bekannten Aachener Schriftsteller erführe und nichts darüber in der Zeitung stünde, fragte ich Sümmerling provokant.
    Sofort brauste der Schreiberling, wie von mir nicht anders erwartet, auf. „Weil die Kartoffelsheriffs da oben in Erkelenz erst gar keine Pressemeldung abgesetzt haben, sondern die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach.“
    Ich stutzte kurz, dann erinnerte ich mich wieder an die irreführende Zuständigkeitsregelung. Polizeitechnisch gehörte der Bereich Erkelenz zur Kripo Aachen, als Staatsanwaltschaft war hingegen die aus Mönchengladbach zuständig.
    „Die Grünen da oben haben erst gar keine Meldung nach Aachen gemacht, sondern die Staatsanwaltschaft die Pressearbeit erledigen lassen. Da ging die Meldung gestern Abend an uns und unsere Kollegen in Erkelenz vorbei, anders als beim Rundfunk“, erklärte der Schreiberling bedauernd.
    „Stimmt denn die Meldung?“, fragte ich neugierig. „Oder haben Sie inzwischen andere Neuigkeiten?“
    Der Journalist schwieg für einen Augenblick. „Im Kern stimmt die Meldung. Warum wollen Sie das wissen, Herr Grundler?“
    „Sage ich Ihnen, wenn Sie mir alles gesagt haben“, antwortete ich schnell.
    Der Zeitungsmann schien mit diesem Vorschlag einverstanden. „Wie meine Kollegen und ich inzwischen recherchiert haben, ist Renatus Fleischmann bei Erkelenz-Kückhoven von einem Spaziergänger entdeckt worden. Nicht direkt im Lahey-Park, wie es heute im Rundfunk hieß, sondern in einem Graben an einem Feldweg in der Nähe des Parks. Ein Schäferhund, der dort von einen Rentner ausgeführt wurde, hat die Leiche aufgespürt, beziehungsweise das, was von dem ehemaligen Menschen Fleischmann übrig geblieben ist.“ Anscheinend, so schilderte mir der Reporter, sei der Tote zerlegt und durch einen großen Häcksler gejagt worden. „Die groben Fleischbrocken passten gut in einen der üblichen blauen Abfallsäcke.“
    „Woher weiß die Polizei, dass es sich bei dem Toten gerade um Renatus Fleischmann handelt?“, fragte ich neugierig dazwischen. „Weil man zufällig oder glücklicherweise, wie man will, einen Daumen in der Fleischmasse gefunden hat und der Daumenabdruck identisch ist mit den Unterlagen der Kripo“, antwortete der Journalist bereitwillig. „Warum allerdings die Kripo die Fingerabdrücke von Renatus Fleischmann in ihrer Kartei hat, weiß ich nicht“, fuhr er schnell fort und kam damit meiner Frage zuvor.
    Die Folgerung, dass der Krimiautor wahrscheinlich nicht am Fundort getötet, sondern bereits in zerlegter Form ins platte Erkelenzer Land gebracht worden war, lag auf der Hand. „So ist es“, bestätigte mir der AZ-Reporter. „Derzeit untersuchen die Pathologen, wann, wo und wie der Mann getötet wurde. Es könnte sein, dass er zunächst tief gefroren wurde. Ebenso gut ist es möglich, dass er erst gestern zermetzelt wurde.“
    Mir schauderte bei dem Gedanken, in einem Häcksler verarbeitet zu werden. „Wie kann ein Mörder nur auf eine derartige Idee kommen?“, bemerkte ich. „Solche spektakulären Todesfälle gibt es üblicherweise nur in Kriminalromanen, aber nicht in der Realität.“
    Für einen Krimischreiber wäre das doch ein angemessener Abgang, scherzte Sümmerling trocken. „Ein normales Einschlafen im heimischen Bett passt einfach nicht ins geläufige Klischee.“
    Es gab noch viele Fragen, die ich dem Schreiberling hätte stellen können. Aber ich behielt sie für mich und für mein Gespräch mit Böhnke.
    Allenfalls bei der Beschreibung von Fleischmann konnte Sümmerling mir behilflich sein. „Haben Sie etwas über ihn im Archiv, ein Porträt oder Ähnliches?“
    „Haben wir“, bestätigte mir der Journalist selbstzufrieden. „Sie können
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher