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Der Grenzgänger

Der Grenzgänger

Titel: Der Grenzgänger
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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bemerkte ich nur und schluckte schwer an dem Brocken, den mir der Kommissar vorgeworfen hatte. Ich starrte aus dem Seitenfenster, als Böhnke am Jackerather Kreuz die Autobahn verließ und auf die Schnellstraße in Richtung Erkelenz abbog. Wir fuhren fast durch Rheinbraun-Land, dachte ich mir und erinnerte mich an die Abenteuer meines Freundes Hieronymus Müllejans, dem der geplante Braunkohlentagebau Garzweiler II die Erbschaft verdorben und die Liebe gebracht hatte.
    „Wird der Lahey-Park auch dem Tagebau weichen müssen?“, fragte ich Böhnke scheinheilig. Dank Müllejans und seiner besseren Hälfte Gerlinde kannte ich inzwischen die Problematik, die die Tagebauplanung mit sich brachte, zur Genüge und vertrat eine ablehnende Einstellung gegenüber dem Projekt. „Der Park liegt zwar im Plangebiet“, bestätigte mir der Kommissar, „aber er wird garantiert nicht abgebaggert werden.“
    „Warum nicht?“
    „Weil es den Tagebau niemals geben wird. Er ist überflüssig und wäre viel zu teuer“, meinte Böhnke überzeugt. „Garzweiler II wäre eines der größten Verbrechen an der Natur, das wir in Deutschland begehen könnten.“
    Wieder blieb ich für einige Momente still und betrachtete das am Straßenrand liegende Sondermüllzwischenlager des Entsorgungskonzerns Schönmackers.
    Meine Frage, um was für eine Art von Park es sich beim Lahey-Park handele, beantwortete der Kommissar mit der Bemerkung, dahinter verberge sich eine ehemalige Mülldeponie. „Als sie aufgegeben wurde, hat sich der Gärtnermeister Hans Lahey um das Gelände gekümmert und dort alles Mögliche angepflanzt. So entstand im Laufe der letzten drei Jahrzehnte mitten in der flachen Erkelenzer Börde ein großer Naturpark.“ Böhnke bog nach rechts auf einen kleinen Weg und stellte den Wagen auf einem Randstreifen ab. „Wir stehen übrigens genau davor.“
    „In solch einem Naturpark gibt es bestimmt einen starken Häcksler“, meinte ich beiläufig, als ich ausstieg. Wir schienen allein auf weiter Flur zu sein.
    „So ist es, mein Freund.“ Deshalb hätten selbstverständlich die Kollegen der Kripo Erkelenz auf dem Gelände nach dem Gerät gesucht. „Und?“
    „Sie haben auch einen Häcksler gefunden. Aber es finden sich absolut keine Anzeichen dafür, dass Renatus Fleischmanns Körper darin zerkleinert worden ist.“
    „Eigentlich schade“, gab ich zum Besten, „der Mörder ist doch sonst immer der Gärtner.“
    „Aber nicht in diesem Falle“, entgegnete Böhnke mit für mich überraschend deutlicher Entschiedenheit. Schnell stapfte er über einen aufgeweichten, schlammigen Weg zwischen dem nachlässig eingezäunten Parkgelände und einem abgeernteten Feld davon, als wollte er verhindern, dass ich nachfragte.
    Vor einer mit rot-weißem Flatterband umgrenzten Fläche blieb der Kommissar nachdenklich stehen. „Hier wurde der Sack abgelegt“, murmelte er. Er sah sich mit zusammengekniffenen Augen um und runzelte dabei die Stirn.
     
     
    Viel zu sehen gab es nicht in der menschenleeren, herbstlich abgewirtschafteten Natur. Der eingezäunte Park mit dem undurchsichtigen Grün auf der einen Seite, das freie, weite Feld auf der anderen und im Hintergrund eine Ortschaft boten nicht gerade ein lebhaftes Gesamtbild.
    „Warum schleppt jemand eine Leiche hierhin?“, fragte Böhnke, ohne von mir eine Antwort zu erwarten. „Wie schwer?“
    „Über achtzig Kilogramm“, antwortete der Kommissar entgegenkommend, „doppelt verpackt, weil ein einzelner Sack wahrscheinlich vom Gewicht aufgeplatzt wäre.“
    „Wie groß?“
    „Einen Meter achtzig.“
    „Was ist mit der Kleidung?“
    „Nichts. Es gibt keine Kleidung. Nur nacktes Fleisch.“
    „Und auf welche Weise ist er umgebracht worden?“
    „Vermutlich ist er zunächst betäubt und anschließend getötet worden. Bei der gerichtsmedizinischen Untersuchung sind Spuren eines Betäubungsmittels gefunden worden.“
    Bereitwillig ging Böhnke auf meine Fragen ein. Er griff in seine Jackentasche und reichte mir eine Fotografie. „So sah Renatus Fleischmann übrigens zu Lebzeiten aus.“
     
     
    Interessiert griff ich nach dem Bild. Ein Durchschnittsgesicht sah mich an. Dunkle, gescheitelte Haare umrahmten ein rundes Gesicht ohne auffallende Merkmale. Das war das Gesicht eines Otto Normalbürgers. „Woher haben Sie das Foto?“
    „Aus dem Archiv der AZ. Ich hab’s mir heute Morgen besorgt.“ Der Kommissar sah erneut mit skeptischem Blick in die Umgebung.
    Ich tat’s ihm nach und
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