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Der Grenzgänger

Der Grenzgänger

Titel: Der Grenzgänger
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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schaute mich ebenfalls um. „Keine Schleifspuren, keine Radspuren?“
    „Nichts Berauschendes, außer einigen Fußabdrücken“, antwortete Böhnke knapp, „und Reifenabdrücken von mehreren Wagen. Sie werden zwar noch ausgewertet, aber wahrscheinlich bringen sie uns nicht weiter.“
    „Fundort ist also nicht gleich Tatort“, folgerte ich. Wahrscheinlich, so fuhr ich fort, müssten mindestens zwei, wenn nicht sogar drei Personen die Leiche zum Lahey-Park geschleppt haben.
    Böhnke nickte bestätigend. „So wird es wohl gewesen sein.“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber damit komme ich auch nicht viel weiter.“ Er sah mich mit trüben Augen an. „Haben Sie Fragen, Herr Grundler?“
    „Einen ganzen Sack voll“, antwortete ich und biss mir auf die Lippe. Der Ausdruck ,Sack’ war wohl nicht angebracht. „Warum zerfetzen der oder die Mörder zunächst eine Leiche bis zur Unkenntlichkeit, um sie anschließend an einem Feldweg abzulegen? Und warum legt man dann den Personalausweis bei, wenn schon die Kleider fehlen?“ Es hätte bestimmt etliche andere Möglichkeiten gegeben, Renatus Fleischmann zu entsorgen, ohne Spuren zu hinterlassen. Daraus könnte geschlossen werden, Fleischmann sollte an dieser Stelle gefunden werden. „Irgendwie sollte der Lahey-Park in die Mordgeschichte eingebunden werden. Der Gärtner ist halt doch der Mörder.“
     
     
    Langsam schlenderten Böhnke und ich zum Wagen zurück. „Warum zerkleinert ein Mörder Renatus Fleischmann bis zur Unkenntlichkeit und gibt dann Hinweise auf seine Identität?“, fuhr ich fort. Daraus würde ich den Schluss ziehen, es handele sich bei dem Leichenfund gar nicht um Fleischmann, behauptete ich dreist. Ein Unbekannter werde uns als Fleischmann untergejubelt. „Oder gibt es andere Anhaltspunkte, die Fleischmann eindeutig identifizieren?“ Ich war gespannt, wie Böhnke reagieren würde.
    „Es ist Fleischmann, davon können Sie ausgehen, Herr Grundler“, antwortete der Kommissar entschieden. „Fragen Sie mich nicht, woher ich es weiß, nehmen Sie es als Tatsache, so wie der Ausweis eine Tatsache ist.“
    Ich gab mich widerstrebend mit dieser Antwort zufrieden. Warum in aller Welt berichtete mir Böhnke nichts von dem entdeckten Daumen und dem eindeutigen Abdruck? Die Frage würde ich im Hinterkopf behalten. Beschwichtigend hob ich die Arme. „Okay, okay, Herr Kommissar. Die Mörder wollten also, dass wir hier am Lahey-Park die Überreste von Renatus Fleischmann finden, nachdem sie ihn wenig kunstgerecht auseinander genommen haben. Es steckt demnach eine bestimmte Absicht dahinter, dass die Unbekannten uns diese Informationen zukommen lassen. Oder?“
    „So ist es“, stimmte mir Böhnke unzufrieden zu. Wir stiegen in den Opel, lehnten uns in die Sitze zurück und schauten ins Freie. „Das gibt zumindest einen Sinn und ist doch unsinnig. Ich werde jedenfalls nicht schlau aus der Sache“, bekannte der Kommissar offen.
    Mir ging es nicht anders. Und ich hatte noch ein Problem mehr als Böhnke. Warum verschwieg er mir den Daumenabdruck? Aber ich würde mich hüten, ihn jetzt zu dieser Information zu befragen. Vielleicht hatte auch nur der Journalist ein wenig zu viel Fantasie besessen und ich war ihm zu schnell und zu leichtgläubig gefolgt, überlegte ich zu Böhnkes Gunsten.
     
     
    Schwungvoll startete der Polizist den Wagen. „Und jetzt werden wir uns Frau Doktor Renate Leder vorknöpfen. Wir haben wenigstens jemanden, der den Mord gestanden hat. Das ist doch etwas.“
    Ich sah den Kommissar verwundert an. Glaubte er etwa allen Ernstes, was er da von sich gab?

Doktor Renate Leder
     
     
     
    Die zierliche Frau mit den schulterlangen, glatten, braunen Haaren lächelte mich erleichtert an und atmete sichtlich auf, als mich Böhnke vorstellte.
    Ich war überrascht von der kleinen Person. Nach unseren Telefonaten hatte ich mir Doktor Renate Leder als eine elanvolle, sportliche, junge Frau vorgestellt. Jetzt musste ich mich mit einem schmalen, verschüchtert wirkenden Winzling in meinem Alter mit großen braunen Augen hinter einer runden Nickelbrille begnügen. Bekleidet war die Frau sportlich leger mit einer einfachen blauen Jeans und einem dunklen Pullover. Über ihrem Arm hing eine dünne gelbe Wetterjacke. Die Stupsnase mit den Sommersprossen gab der Lektorin einen niedlichen Anblick. Das war so eine Frau, die unweigerlich in jedem Mann einen Beschützerinstinkt wachrief und daher unverzüglich bei mir alle Warnlichter aufblinken
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