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Der Grenzgänger

Der Grenzgänger

Titel: Der Grenzgänger
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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Geld verlangen, das sie nicht besitze, und auch nicht intensiv nachforschen. „Ich glaube, dass der Tod von Renatus Fleischmann einen schier undurchschaubaren Hintergrund hat. Wenn jemand das Verbrechen aufklären kann, dann sind Sie es, Herr Grundler“, versuchte sie mir mit einem Hinweis auf meine bisherigen Erfolge bei der Verbrecherjagd zu schmeicheln.
    „Wie kommen Sie darauf?“, fragte ich verwundert, ohne auf das vergängliche Lob einzugehen. „Was veranlasst Sie, an ein Verbrechen mit einem dubiosen Hintergrund zu glauben?“
    Die Lektorin stand auf und fischte zielsicher aus einem Stapel ein Taschenbuch heraus. „Das ist der neueste Roman von Renatus Fleischmann. Er soll in zwei Wochen auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt werden.“ Sie reichte mir das Buch, das ich achtlos beiseite legte. „Ich glaube, er hat sich mit diesem Projekt etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt.“
    „Wieso?“
    Nach dem Lesen der Geschichte würde ich wissen, was sie meine, antwortete die Lektorin. Sie setzte sich auf die Kante ihres Schreibtisches. „Sie müssen wissen, dass Renatus Fleischmann immer haarscharf an der Wirklichkeit vorbeischrieb. Er hat mir gesagt, die meisten seiner Geschichten seien wahr, er habe sie lediglich verfremdet, in eine andere Region verfrachtet, mit anderen Personen versehen.“ Mit dem letzten Roman habe er aber den Bogen überspannt. „Vermutlich hat er es selbst eingesehen, denn er ist vor einem Monat, unmittelbar nach der Abschlusskorrektur des Textes, untergetaucht.“
    Die Sache fing langsam an, mich zu interessieren, ohne dass ich den Roman gelesen hatte, gestand ich mir ein. „Warum haben Sie den Roman denn nicht abgelehnt, wenn Sie von der Realitätsnähe und der für Fleischmann möglichen Gefahr wussten?“
    Renate Leder zuckte verlegen mit den Schulter. „Erstens sind die Romane gut und erfolgreich, damit auch wirtschaftlich für Verlag und Autor lukrativ, zweitens bestand Renatus auf einer Veröffentlichung und wäre bei meiner Ablehnung zur Konkurrenz gegangen und drittens ist es bisher immer gut gegangen.“ Sie lächelte flüchtig. „Schließlich verdiene ich als Lektorin auch daran, wenn ein Buch veröffentlicht wird.“ Sie sei freiberuflich als Journalistin und Lektorin tätig, meinte sie zur Erklärung. „Mein Honorar richtet sich größtenteils nach dem Verkaufserlös eines Buches.“
    „Was heißt, es ist bisher immer gut gegangen?“, fragte ich.
    Der aktuelle, noch nicht veröffentlichte Krimi war bereits der sechste Roman Fleischmanns. Auch in den vorherigen habe er immer sehr intensiv Missstände in Politik und Wirtschaft angeprangert, erklärte mir die Lektorin. Sie stand wieder auf und zog weitere Taschenbücher aus einem Regal. „Sie können die Bücher mitnehmen, wenn Sie wollen. Beim Lesen werden Sie selbst in Zweifel geraten, was schon in den Bereich der Fantasie gehört und was noch Realität ist.“
    Ich achtete nicht auf die Bücher, die die Frau neben mich auf ein Beistelltischchen legte. „Sie wissen nicht, wo Fleischmann in den letzten Wochen war?“, fragte ich die Lektorin, während sie zu ihrem Platz zurückging.
    Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Er hat nur einmal vor zwei Wochen angerufen und mir gesagt, er würde mir in einer Woche ein neues Manuskript zuschicken. Er habe sich in die Einsamkeit zurückgezogen. Spätestens in Frankfurt würden wir uns treffen.“
    Das sei doch eine plausible Erklärung, meinte ich.
    Aber Renate Leder widersprach. „Das scheint nur auf den ersten Blick Sinn zu machen. Renatus Fleischmann war gründlich und achtete penibel genau auf Zeitvorgaben. Ich habe das versprochene Manuskript nicht bekommen.“ Das spräche nach ihrer Auffassung eindeutig dafür, dass etwas nicht in Ordnung gewesen sei. „Er hätte mich informiert, wenn er nicht fertig geworden wäre.“
    Ich hörte der zierlichen Frau nicht länger zu. Meine Auffassungsgabe war für heute erschöpft. Ich wollte mich nicht mit neuen Fakten beschäftigen, so lange ich nicht die vorhandenen Problemchen geklärt hatte, auch wenn sie noch so klein schienen. „Ist Fleischmann ein Schriftsteller aus Aachen oder aus Geilenkirchen?“, wollte ich abschließend wissen. „Er hatte seinen Zweitwohnsitz hier in Aachen. Nicht weit von mir entfernt an der Stephanstraße lebte Fleischmann in einer winzigen Dachgeschosswohnung. Seinen Hauptwohnsitz hatte er bei den Eltern in Geilenkirchen, genauer in Würm-Beeck.“ Aber er sei nie dort gewesen. Der
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