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Der Grenzgänger

Der Grenzgänger

Titel: Der Grenzgänger
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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Leder hielt ihn in ihrer Hand und sah ihn entzückt an, derweil Böhnke zufrieden zu seinem Dienstwagen ging und am lärmenden Funkgerät hantierte.
     
     
    Wieder stieß mich meine ungehaltene Bettnachbarin an. „Telefon!“, raunzte Sabine im Halbschlaf, „bestimmt für dich.“
    Jetzt vernahm auch ich das Klingeln. Ich tapste im Dunkeln ins Wohnzimmer zum Schreibtisch und knipste die Beleuchtung an. Während ich laut gähnend zum Hörer griff, ließ ich mich in den Sessel fallen.
    Welcher Schwachkopf wollte mich schon um vier Uhr morgens sprechen?
    Mit einem Schlag war meine Müdigkeit verschwunden, als sich das Luisenhospital meldete und mich eine Krankenschwester mit freudloser Stimme mit einem Arzt verband.
    Die Frage, ob ich Tobias Grundler sei, hätte sich der Mediziner ersparen können. „Was wollen Sie von mir?“, fragte ich ihn angespannt.
    Ob ich Frau Doktor Renate Leder kenne, fragte er mit besänftigender Stimme zurück.
    ,Blöde Frage’, dachte ich mir, ich kannte die Frau nicht näher, ich wusste allenfalls, wer sie war. „Was ist mit ihr?“
    Sie hätte wenige Minuten nach Mitternacht einen Verkehrsunfall gehabt und sei dabei sehr schwer verletzt worden, berichtete der Arzt. „Es besteht akute Lebensgefahr.“ Man habe in der Jackentasche bei den Papieren der Frau einen Zettel mit meinem Namen und meiner Telefonnummer gefunden. „Sie sind unser einziger Anhaltspunkt“, meinte der Arzt beinahe schon entschuldigend. Bestimmt würde sich deshalb auch noch die Polizei bei mir melden. „Weshalb sollte sie?“
    „Vielleicht können Sie ihr und uns erklären, was die Frau am Abend gemacht hat oder wo sie war.“
    Was eine Verabredung zum Tennisspielen mit einem Verkehrsunfall um Mitternacht zu tun haben könnte, sei mir schleierhaft, entgegnete ich.
    Es erkläre aber, warum die Frau mit dem Wagen unterwegs war, hielt der Arzt ruhig dagegen.
    Diese Art der Gesprächsführung behagte mir nicht. „Was ist passiert?“, fragte ich ungehalten.
    Der Arzt räusperte sich. „Was passiert ist, kann ich Ihnen nicht sagen. Den Unfallhergang wird die Polizei rekonstruieren. Wir haben uns nur mit den körperlichen Folgen des Unfalls für das Unfallopfer beschäftigt.“
    „Und welche Folgen sind das?“ Ich stöhnte über die Langatmigkeit des Mediziners.
    Die Liste der Verletzungen, die er nannte, schien nicht enden zu wollen. Die Lektorin hatte, so wie ich es verstand, einen Schädelbasisbruch und diverse Knochenbrüche davongetragen, innere Blutungen und Organquetschungen erlitten und noch einige andere Kleinigkeiten. Sie war bereits operiert worden, lag aber nun im Koma.
    „Wann und ob sie daraus aufwacht und in welchem Zustand sie sich dann befindet, kann Ihnen momentan niemand sagen“, behauptete der Arzt ohne großes Zutrauen in die medizinische Kunst. „Es sieht jedenfalls nicht gut für sie aus.“
    Damit war das Telefonat auch schon beendet. Ich bedankte mich sogar noch höflich für die nächtliche Störung, bevor ich, plötzlich wieder sehr müde, ins Bett zurückwankte. ,Pech gehabt’, kommentierte ich das Schicksal der Lektorin. Ich schwankte zwischen Anteilnahme und Interesselosigkeit. ,Erst kommt ihr der Fleischmann abhanden, wenig später macht sie sich selbst auf den Weg in die ewigen Jagdgründe. Dort würde sie bestimmt keine Schwierigkeiten haben, den Autor zu finden; auch ohne meine Mithilfe.
     
     
    Der Anruf der Verkehrspolizei am frühen Morgen in der Kanzlei ließ nicht lange auf sich warten. Ich wiederholte mein Wissen, dass Renate Leder am Abend zum Tennisspielen verabredet war, und fragte neugierig, wie es zu ihrem Unfall gekommen war.
    Das anfängliche Sträuben des Polizisten mit dem Hinweis auf den Personendatenschutz entkräftete ich mit der Anmerkung, ich sei der Anwalt der Lektorin und würde versuchen, in ihrem Namen rechtliche Schritte gegen den möglichen Unfallverursacher einzuleiten. „Oder hat sie etwa selbst den Unfall verschuldet?“
    „Danach sieht es bestimmt nicht aus“, erhielt ich als erwartete Antwort. Nach der Schilderung einer Zeugin, die am Straßenrand gestanden hatte, war die Lektorin mit ihrem Kleinwagen auf dem vorfahrtsberechtigten Prager Ring unterwegs, als von rechts auf der Gut-Dämme-Straße ein großer Geländewagen mit hohem Tempo in die Kreuzung hineinfuhr. „Nach Mitternacht wird die Ampelanlage ausgeschaltet“, fügte der Polizist zur Erläuterung an. Der Geländewagen erwischte den Wagen am Heck und schleuderte ihn quer über die
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