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Der Grenzgänger

Der Grenzgänger

Titel: Der Grenzgänger
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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ließ.
    ,Die Frau war niemals eine Mörderin’, dachte ich mir unvermittelt und stellte mir vor, wie die Kleine den stämmigen Renatus Fleischmann auseinander genommen und die achtzig Kilogramm Fleischmasse zum Lahey-Park transportiert hatte. Das passte einfach nicht. Es sei denn, sie hatte einen oder, was wahrscheinlich wäre, mehrere Mittäter, die unter ihrer Anleitung oder in ihrem Auftrag die Drecksarbeit erledigt hatten. Aber sie sah nicht aus wie jemand, der einen Menschen töten und zerhäckseln oder einen Auftrag zu einem derartigen Mord erteilen konnte.
    Ich beobachtete die Lektorin, die von einer Polizeibeamtin in Böhnkes Büro gebracht worden war und nun verängstigt neben mir in der Besucherecke saß.
    In diesem Büro hatten Böhnke und ich schon so manche Diskussion über vertrackte Kriminalfälle geführt. Im Besucherbereich mit den beiden braunen Ledersofas und dem flachen Tisch hatte ich schon meinen Stammplatz, von dem ich den direkten Blick auf Böhnkes Schreibtisch an der gegenüberliegenden Seite des sehr nüchtern gestalteten Raums ohne Bilder und Grünzeug hatte. Meistens saß der Kommissar an seinem Arbeitsplatz und sortierte die Papiere, derweil ich auf einem Sofa lungerte. Auch jetzt hatte sich Böhnke hinter seinem Schreibtisch verschanzt und betrachtete ebenfalls die verschüchterte Frau.
    Mit einem überraschenden Frontalangriff eröffnete ich das Gespräch. „Wer hat Ihnen bei der Ermordung des Autors geholfen?“, fragte ich die Frau in einem Tonfall, der sie prompt zusammenzucken ließ. „Sie haben den Mord gestanden, sind aber aufgrund Ihrer körperlichen Voraussetzungen niemals in der Lage, alleine das Verbrechen begangen zu haben. Also müssen Sie Mittäter haben. Wer sind Ihre Komplizen, Frau Doktor Leder?“
     
     
    Böhnke sah mich ungläubig an.
    Die Lektorin starrte nach meinem heftigen Vorstoß fassungslos auf mich.
    Ich musterte sie verächtlich und gab mit keiner Miene zu verstehen, dass ich die Frage nicht ernsthaft gemeint haben könnte. „Wer sind Ihre Mittäter? Reden Sie endlich!“, herrschte ich sie barsch an. „Ich habe keine Lust, meine Zeit hier zu verschwenden.“
    Die Frau blieb lange sprachlos, schüttelte nur ungläubig ihren Kopf und spielte unruhig mit der Nickelbrille. „Ich habe Renatus doch nicht umgebracht“, stotterte sie schließlich mit leiser Stimme.
    „Sie haben es aber zugegeben“, unterbrach ich sie. „Wer will Ihnen denn jetzt noch glauben, wenn Sie zuvor ein Geständnis abgelegt haben?“ Eigentlich war ich nur wütend darüber, dass sie mich in diese Geschichte hineingezogen hatte. Ihretwegen trieb ich mich ergebnislos in der Region herum, was ich ihr aber nicht vorwerfen konnte. „Was ist?“ Grimmig schaute ich die Lektorin an, die die Hände vors Gesicht schlug.
    Sie schluchzte. „Ich will doch nur, dass Sie mir helfen, Herr Grundler.“
    Ich stöhnte. Warum ausgerechnet immer ich?
    Gab es niemanden sonst, der sich ihrer erbarmen konnte? „Ich kann Ihnen nicht helfen“, erwiderte ich schroff. „Da Sie keine Mörderin sind, benötigen Sie keinen Strafverteidiger.“ Ich deutete mit meiner rechten Hand heftig auf Böhnke. „Für die Ermittlungen im Mordfall Fleischmann steht ein äußerst fähiger Kommissar der Kripo Aachen zur Verfügung, der Ihre Vernehmung durchführen und der gerne den Fall zu den Akten legen möchte.“ Ich jedenfalls sei aus dem Rennen, bevor es überhaupt gestartet würde. „Suchen Sie Ihren Mörder, aber nicht mit mir, Frau Doktor Leder!“ Ich verabschiedete mich mit einem kurzen Wink und strebte energisch zur Tür.
    „Nicht so eilig, Herr Grundler“, rief mir Böhnke schnell hinterher, „nehmen Sie gefälligst Ihre Mandantin mit und bringen Sie sie nach Hause.“
    Langsam drehte ich mich auf dem Absatz um. Ich musste mich verhört haben. „Ich habe keine Mandantin“, korrigierte ich ihn höflich, aber zugleich bestimmt, „das sollten auch Sie wissen.“
    „Haben Sie sehr wohl“, widersprach mir der Kommissar mit einem süffisanten Lächeln. Er war noch nicht einmal von seinem Schreibtischsessel aufgestanden und spielte lässig mit einem Kugelschreiber. „Frau Doktor Leder muss sich wegen Irreführung der Polizei verantworten und beansprucht daher rechtsanwaltliche Hilfe.“
    Ich winkte verächtlich ab und tastete nach der Türklinke hinter mir. Mit einem derartigen Kleinkram wollte ich mich nicht abgeben.
    „Ich bezahle Ihr Honorar auf Heller und Pfennig, Herr Grundler“, verblüffte mich
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