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Der Graf von Monte Christo 2

Der Graf von Monte Christo 2

Titel: Der Graf von Monte Christo 2
Autoren: Alexandre Dumas
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schwiegen beide. Ali brachte ruhig und aufmerksam Tabak und türkische Pfeifen, servierte den Kaff ee und verschwand.
    Allmählich verblaßten die Lampen, und der Duft der Räucher-pfännchen kam Morrel weniger scharf vor. Monte Christo saß Morrel gegenüber und betrachtete ihn aus dem Schatten heraus.
    Ein ungeheurer Schmerz erfaßte den jungen Mann; er fühlte die Pfeife seinen Händen entgleiten, die Gegenstände verloren unmerklich ihre Form und Farbe. »Freund«, sagte er, »ich fühle, daß ich sterbe. Dank!«
    Er machte eine Anstrengung, um dem Grafen zum letztenmal die Hand zu reichen, aber die Hand fi el kraftlos herab.
    Da schien es ihm, als ob Monte Christo lächelte, nicht mehr mit seinem seltsamen und schrecklichen Lächeln, das ihn mehrere Male einen Blick in die tiefsten Geheimnisse dieser Seele hatte werfen lassen, sondern mit dem wohlwollenden Mitleid, das Väter für ihre kleinen Kinder haben, wenn diese unvernünftig reden.
    Zu gleicher Zeit wuchs der Graf in seinen Augen; seine fast zweimal so groß gewordene Gestalt zeichnete sich von den roten Behängen ab, er hatte sein schwarzes Haar zurückgeworfen und erschien aufrecht stehend und stolz wie einer jener Engel, mit denen man die Bösen für den Tag des Jüngsten Gerichts bedroht.
    Niedergeschlagen, gebändigt lehnte sich Morrel in seinen Sessel zurück; eine milde Starre zog durch seine Adern. Ein Wechsel der Bilder ging wie in einem Kaleidoskop in seinem Kopfe vor sich.
    Entnervt daliegend, fühlte Morrel nichts Lebendes mehr in sich als diesen Traum: Es schien ihm, als ob er mit vollen Segeln in das Fieber hineinfuhr, das dem Unbekannten, das man Tod nennt, vor-hergeht.
    Seine schweren Augen schlossen sich gegen seinen Willen, aber hinter seinen Lidern bewegte sich ein Bild, das er trotz der Dunkelheit, in die er sich gehüllt glaubte, erkannte.
    Es war der Graf, der soeben eine Tür geöff net hatte.
    Sofort erfüllte eine unendliche Helligkeit aus einem benachbarten Zimmer oder vielmehr aus einem wunderbaren Palaste das Gemach, in dem sich Morrel seiner süßen Todesqual überließ.
    Dann sah er auf der Schwelle dieses Zimmers eine Frau von wunderbarer Schönheit stehen. Bleich und mild lächelnd, erschien sie wie der Engel der Barmherzigkeit, der den Racheengel beschwor.
    Ist dies schon der Himmel, der sich mir öff net? dachte der Sterbende. Dieser Engel gleicht demjenigen, den ich verloren habe!
    Monte Christo zeigte der jungen Frau das Sofa, wo Morrel ruhte.
    Sie ging mit gefalteten Händen auf ihn zu.
    »Valentine! Valentine!« rief Morrel aus dem Grund der Seele.
    »Er ruft Sie«, sagte der Graf, »er ruft Sie aus seinem Schlaf heraus.«
    Valentine ergriff die Hand Monte Christos und führte sie mit unendlicher Freude an die Lippen.
    »Oh, danken Sie mir, ja!« sagte der Graf. »Oh, sagen Sie mir, ohne müde zu werden, immer wieder, daß ich Sie glücklich gemacht habe!
    Sie wissen nicht, wie sehr ich diese Gewißheit brauche.«
    »Ich danke Ihnen von ganzer Seele«, sagte Valentine, »und wenn Sie daran zweifeln, daß mein Dank aufrichtig sei, nun, so fragen Sie Haidee, meine geliebte Schwester, die seit unsrer Abreise aus Frankreich mir immer von Ihnen gesprochen hat und mich geduldig den glücklichen Tag, der mir heute leuchtet, hat erwarten lassen.«
    »Sie lieben Haidee also?« fragte der Graf mit einer Bewegung, die er sich vergeblich zu verbergen bemühte.
    »Oh, mit ganzer Seele!«
    »Nun wohl, Valentine«, sagte Monte Christo, »ich habe eine Bitte an Sie. Sie haben Haidee Ihre Schwester genannt, lassen Sie sie wirklich Ihre Schwester sein, Valentine; geben Sie ihr alles, was Sie mir schuldig zu sein glauben; beschützen Sie sie, Morrel und Sie, denn sie wird von nun an allein auf der Welt sein …«
    Die letzten Worte brachte der Graf fast unhörbar hervor.
    »Allein auf der Welt!« wiederholte eine Stimme hinter dem Grafen.
    »Und warum?«
    Monte Christo wandte sich um.
    Haidee stand bleich und erstarrt da und sah den Grafen mit tödlicher Bestürzung an.
    »Weil du morgen frei sein wirst, meine Tochter«, antwortete der Graf; »weil du den dir gebührenden Platz in der Welt wieder einnehmen sollst, weil ich nicht will, daß mein Schicksal das deine verdunkle. Fürstentochter! Ich gebe dir den Reichtum und Namen deines Vaters wieder.«
    Haidee erbleichte, öff nete ihre durchsichtigen Hände und sagte mit einer von Tränen heiseren Stimme: »Du verläßt mich also, Herr?«
    »Haidee, Haidee! Du bist jung und schön;
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