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Der Graf von Monte Christo 2

Der Graf von Monte Christo 2

Titel: Der Graf von Monte Christo 2
Autoren: Alexandre Dumas
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Wasser; der Reisende stieg hinab.
    In einem Augenblick war man in einer kleinen Bucht; die Barke berührte einen Grund von feinem Sand.
    »Exzellenz«, sagte der Kapitän, »steigen Sie auf die Schultern von zweien unserer Leute, die Sie an Land tragen werden.«
    Der junge Mann antwortete auf die Einladung durch eine Bewegung völliger Gleichgültigkeit, hob die Beine aus der Barke und ließ sie ins Wasser gleiten, das ihm bis an den Gürtel ging.
    »O Exzellenz«, sagte der Steuermann, »das ist unrecht von Ihnen, und Sie werden uns die Unzufriedenheit des Herrn zuziehen.«
    Der junge Mann setzte seinen Weg zum Ufer fort, indem er zwei Matrosen folgte, die den besten Grund aussuchten.
    Nach etwa dreißig Schritten stieg man an Land; der junge Mann schüttelte seine Füße und suchte nach dem Weg, den man ihm be-zeichnen würde, denn es war vollständig dunkel.
    In dem Augenblick, da er den Kopf wandte, legte sich eine Hand auf seine Schulter, und eine Stimme ließ ihn erbeben.
    »Guten Tag, Maximilian«, sagte diese Stimme, »Sie sind pünktlich, ich danke Ihnen!«
    »Sie sind’s, Graf«, rief der junge Mann mit einer Bewegung, die der Freude glich, und drückte Monte Christo beide Hände.
    »Ja, Sie sehen, ich bin ebenso pünktlich wie Sie; aber Sie triefen ja, mein lieber Freund, Sie müssen sich umziehen. Kommen Sie, es gibt hier eine für Sie hergerichtete Wohnung, in der Sie Müdigkeit und Kälte vergessen werden.«
    Monte Christo bemerkte, daß Morrel sich umwandte; er wartete.
    Der junge Mann sah mit Überraschung, daß nicht ein einziges Wort von den Leuten, die ihn hergebracht hatten, gesprochen worden war und daß sie wieder abgefahren waren, obwohl er sie nicht bezahlt hatte. Man hörte den Ruderschlag der Barke, die zu der Jacht zurückkehrte.
    »Ah, so!« sagte der Graf. »Sie suchen Ihre Matrosen?«
    »Allerdings, ich habe sie nicht entlohnt.«
    »Machen Sie sich deshalb keine Gedanken, Maximilian«, sagte Monte Christo lachend, »ich habe einen Vertrag mit der Schiff ahrt, wonach der Zugang zu meiner Insel frei von Transport- und Reisekosten ist. Ich bin abonniert, wie man in den zivilisierten Ländern sagt.«
    Morrel sah den Grafen mit Erstaunen an.
    »Graf«, sagte er, »Sie sind nicht mehr derselbe wie in Paris.«
    »Wieso?«
    »Hier lachen Sie.«
    Die Stirn Monte Christos verfi nsterte sich plötzlich.
    »Sie haben recht, mich wieder an mich selbst zu erinnern, Maximilian«, sagte er; »Sie wiederzusehen war ein Glück für mich, und ich vergaß, daß alles Glück vergänglich ist.«
    »O nein, nein, Graf!« rief Morrel, indem er von neuem beide Hände seines Freundes erfaßte. »Lachen Sie, seien Sie glücklich und beweisen Sie mir dadurch, daß das Leben nur für die schlecht ist, welche leiden.«
    »Sie sind nicht getröstet?« fragte Monte Christo mit einem seltsamen Blick.
    »Oh, haben Sie wirklich geglaubt, daß ich das sein könnte?«
    »Hören Sie«, sagte der Graf, »Sie verstehen meine Worte richtig, nicht wahr, Maximilian? Sie halten mich nicht für einen Alltagsmenschen, für eine Klapper, die unbestimmte und sinnlose Laute von sich gibt. Wenn ich Sie frage, ob Sie getröstet sind, spreche ich als ein Mann zu Ihnen, für den das menschliche Herz keine Geheimnisse mehr hat. Nun wohl, Morrel, gehen wir zusammen auf den Grund Ihres Herzens hinunter und prüfen wir es. Haben Sie noch diese wilde Ungeduld des Schmerzes, die den Körper aufbäumen läßt, wie der Löwe aufspringt, der von einem Moskito ge-stochen worden ist? Haben Sie noch diesen verzehrenden Durst, der nur im Grab gelöscht wird? Ist es noch dieser erhabene Schmerz, der den Lebenden aus dem Leben hinaustreibt auf die Jagd nach dem Tod? Oder ist es nur das Darniederliegen des erschöpften Mutes, die Schlaff heit, die den Hoff nungsstrahl, der aufl euchten möchte, erstickt? O mein lieber Freund, wenn es das ist, wenn Sie nicht mehr weinen können, wenn Sie Ihr erschlaff tes Herz für tot halten, wenn Sie nur noch Blicke für den Himmel haben, Freund, lassen wir die Worte beiseite, die den Sinn, den unsre Seele ihnen gibt, nicht vollkommen ausdrücken können. Maximilian, Sie sind getröstet; klagen Sie nicht mehr.«
    »Graf«, entgegnete Morrel mit seiner milden und zugleich festen Stimme, »Graf, hören Sie mich an, wie man einen Mann anhört, der mit dem Finger zur Erde und mit dem Blick zum Himmel gerichtet spricht: Ich bin zu Ihnen gekommen, um in den Armen eines Freundes zu sterben. Gewiß, es gibt Menschen, die ich
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