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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher
Autoren: Roland Adloff
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hab ich mit dem Diebsgeschmeiß da unten zu schaffen! Warte, was ist das für ein Loch hier?«
    »Weiß auch nicht.«
    »Na, guck doch nach.«
    »Mach doch selber!«
    Lips sah gebannt auf den Eingang, wo mit einem Gewehrlauf ein paar Stöcke zur Seite gestoßen wurden. Er verbiss sich ins Mundholz und drückte sich zurück.
    »Da ist niemand drin, glaub ich.«
    »Wir sollten uns da drin verstecken, bis alles vorbei ist.«
    Der Gewehrlauf zielte noch immer in die Höhle. Die Flasche, die die Mutter in ihrer Hand hielt, schlug gegen Lips' Bein. Er griff nach ihrer Hand, die viel kälter war, als er sie sich vorgestellt hatte.
    »Verflucht, da hinten kommt der Sergeant!«
    »Der wird denken, wir wollen uns hier verdrücken. Mach schon was, schieß rein!«
    Lips sah den Lauf des Gewehrs, er schloss die Augen, die Zeit blieb stehen, und eine plötzliche, ohnmächtige Leere und tiefe, erlösende Klarheit kam über ihn. Er war auf sein Ende gefasst, so wie damals, als er gekrümmt auf dem Boden lag und der Vater mit dem Brecheisen auf ihn loswollte. Er sah alles gleichzeitig…
    »Schieß doch!«, rief draußen wieder die Soldatenstimme. »Jetzt mach schon!«
    Lips öffnete die Augen. Er sah den schwenkenden Lauf des Gewehres, hielt den Atem an … plötzlich krachte ein Schuss, ein Feuerstrahl blitzte auf, er meinte, sein Kopf würde bersten, gleichzeitig spürte er, wie die Mutter herumgerissen wurde.
    »Wir kommen schon, Sergeant«, rief draußen der eine Soldat. »Haben alles durchsucht. Da ist niemand drin, in dem Loch.«
    Die Hand der Mutter verkrampfte sich in seinem Arm.
    »Und warum schießt ihr dann rein?«, hörte Lips noch entfernt den Sergeanten. »Bauerntölpel, verfluchte! Los jetzt!«
    Die Stimmen waren nicht mehr zu hören. Der scharfe Pulvergeruch in der Höhle reizte zum Husten. Lips nahm das Mundholz heraus, das er entzweigebissen hatte, und presste den Atem gegen den Hustenreiz. »Mutter?«, fragte er leise. »Was ist?«
    »Am Kopf«, stöhnte die Mutter leise. Sie warf sich hin und her und atmete schwer, »'s hat mir den Kopf zerhauen.«
    Unten von der Schenke klangen Schüsse, Granaten, zwischendurch hörte er entfernte Rufe, mit einem gewaltigen Schlag zündete eine der Brandbomben, die Lips für die Bande angefertigt hatte, dazwischen mischte sich das schrille Wiehern von Pferden.
    Irgendwann ebbte das Kämpfen ab. Ihm war, als verginge eine Ewigkeit, bis das Schießen ganz aufhörte und nur noch ab und an entferntes Rufen zu hören war. Nach den Geräuschen hatten die Soldaten die Schenke eingenommen. Lips sah vorsichtig zum Eingang hinaus. Draußen war es düster von den Regenwolken. Auf dem Platz vor ihrem Versteck war niemand zu sehen. Satte Tropfen schlugen auf die Erde und platzten auseinander. Da drüben, da hatten sie ihm die Schraube anlegen wollen! Die Knie wurden ihm wieder weich. Schnell nahm er Stöcke und Steine und baute den Eingang wieder zu. Dann hockte er sich so weit entfernt von der Mutter, wie es in dem engen Erdloch möglich war. Zugesehen hätte sie, schrie es in Lips. Die Mutter hätte zugesehen!
    »Mein Schädel!«, wimmerte die Mutter. »Mein Schädel! Mir platzt der Schädel! Jetzt hilf mir doch!«
    »Leise doch!« Lips umfasste sich selbst mit den Armen, drückte sich ganz fest gegen das Zittern, das seinen ganzen Leib erfasste, und schwieg.
    »Der Schädel! Es hat mir den Schädel zerhauen!«
    Weg hier! pochte es in Lips. Nur weg aus diesem Loch! Weg von allem! Die Brüsche vom Schlag des Vaters schmerzte und schwoll weiter an. Er hörte das leise Wimmern der Mutter, wie sie sich hin und her warf, befühlte mit den Fingerspitzen seine Schläfe; er roch am Blut und leckte davon. Sollten sie den Vater doch umbringen! Es war die Strafe für das, was der Vater ihm und Arnold alles angetan hatte!
    »Der Schädel!«, stöhnte die Mutter. »Mir platzt der Schädel! Jetzt mach doch was! Hilf mir doch!«
    Lips drückte sich in seine Ecke. Wer hatte ihm denn geholfen, dachte er bitter, als der Vater damals den Verrat an Arnold aus ihm herausgeschlagen hatte! Niemand, auch die Mutter nicht! Er hatte gedacht, sein Kopf würde unter den Schlägen bersten. Da war niemand, der den Vater zurückhielt! Wie der Vater ihn im Nacken nachfasste und sein Gesicht mit ganzer Kraft auf die Bank presste!
    »Dein Junge muss doch was mitbekommen haben!«, hörte Lips Frieder rufen. »Der Arnold bescheißt uns! Pfuscht 'rum beim Einschmelzen! Der verpanscht unser Gold!«
    Wieder und immer wieder
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