Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher
Autoren: Roland Adloff
Vom Netzwerk:
sie einen Salbentopf, in der anderen die Flasche Branntwein.
    »Muss das sein?«, fragte sie mit breiter Trinkerstimme.
    Keiner der Männer sagte etwas dazu.
    »Na, dann!«, sagte sie, blickte hoch in die Wolkenwand, die sich näher heranschob, und erhob sich.
    Lips war fest im Griff vom Frieder und beobachtete, wie der Böhmische Hans das Gesicht verzog, weil die Daumenschraube klemmte.
    »Gib mal her!« Prager wollte sie ihm abnehmen, aber der Böhmische Hans drehte sich weg und zog einen Flunsch, als würde er in die Kotgrube sehen, und er musste einige Male kräftig hin und her drehen, bis sie gängig war. »Müsste jetzt gehen!«
    Lips wollte immer noch nicht glauben, dass der Vater ihm die Schraube anlegen lassen würde, aber es war kein böser Traum! Er suchte den Blick des Vaters, der die Tortur mit einem Wink abwenden konnte. Der ging mit schmal zusammengekniffenen Lippen zur Mutter, forderte ihr die Flasche ab und trank selbst daraus. »Du säufst mir zu viel in letzter Zeit!«, raunzte er sie an. Die Mutter zog den Kopf ein.
    »Die Linke«, rief der Böhmische Hans. »Sonst kann der doch nichts für uns schreiben!«
    Prager griff nach Lips' Arm, aber der vergrub seinen Daumen in der Faust und wollte sich entwinden.
    »Höher!«, befahl der Böhmische Hans. »Saukerl, halt doch mal ruhig!«
    Plötzlich hörte Lips fernes Hundegebell. Prager horchte mit offenem Mund auf, auch der Vater hielt beim Trinken inne. Das Hundegebell kam näher und wurde kräftiger, Signalhörner erklangen.
    »Soldaten!«, schrie der Vater und warf die Flasche weg. »Verflucht! Soldaten! Runter zum Haus! Zu den Gewehren!« Tullian war schon einige Meter gelaufen, da drehte er sich nochmals zu Lips um, der ganz benommen war und erstarrt dastand. »Du hast nicht aufgepasst!«
    Lips war noch ganz hölzern im Kopf.
    »Komm schon!«, rief die Mutter, bückte sich nach der Flasche und kroch auf allen vieren ins Dickicht. »Was ist denn? Steh doch nicht rum!«
    Lips sah, wie auf der gegenüberliegenden Seite des Tales Dragoner den Weg hinunterritten. Er lief hinter der Mutter her, und wie von fremder Hand geführt half er ihr, die Stöcke und Steine zum Versteck zur Seite zu stoßen. Dann kletterte er ihr nach ins Erdloch und baute schnell von innen den Eingang wieder zu.
    Das Hundegebell kam näher. Erste Schüsse hallten durch das Tal. Sie waren von schlechtem Pulver, hörte Lips. Entfernte Rufe. Lips meinte, die Stimme des Vaters herauszuhören. Vereinzelte Schüsse kamen unten von der Schenke, dann donnerte von oben ein harter Trommelwirbel, dessen Echo im Tal einige Male hin und her geworfen wurde, plötzlich eine unheilvolle Stille, der Herzschlag pochte Lips in den Ohren, dann donnerte eine ganze Salve, wohl aus zwanzig Soldaten-Gewehren gleichzeitig, ein tiefer Schrei aus einer Männerkehle, es konnte der Vater gewesen sein. Ja, sollten sie ihn erschießen, dann war endlich Schluss mit der Quälerei!
    Ihm schlugen die Zähne vor Angst. Das Hundegebell kam näher. Er hörte das Gluckern der Flasche und roch den satten Duft von Jasminöl, der aus dem Kleid der Mutter strömte, dann reckte sich die Mutter nach einem Stock vom Eingang, brach ihn über dem Knie in zwei Stücke und drückte Lips eins quer in den Mund.
    »Beiß drauf!«, sagte sie leise und steckte sich auch einen Stock zwischen die Zähne. »Ganz fest!« Die Mutter atmete ihn dabei an, und er roch den Gestank vom Branntwein, der ihn so ekelte. Sie saßen dicht nebeneinander in dem Erdloch. Ganz leise hörte er, wie der Mutter die Finger gegen die Flasche schlugen. Plötzlich nahm ein Schatten am Eingang ganz kurz das Licht, das durch die Stöcke drang, und er hielt den Atem an. Jetzt wurde von der Schenke zurückgeschossen, Granaten explodierten, Schreien, Rufen, er meinte, die Stimme von Frieder herauszuhören, dann wieder eine Salve, ganz in ihrer Nähe schrien Stimmen gegeneinander. »Einkreisen!«, »Achtung!«, »Stehenbleiben!«, »Heh? Wo wollt ihr hin!?«, »Hiergeblieben, sag ich!«, »Vorwärts!« Dann entfernten sich die Stimmen wieder, auch das Kläffen der Fanghunde.
    Die Mutter nahm kurz das Mundholz heraus und trank in großen Schlucken. Plötzlich hörte er das Knacken von Hölzern, es musste oben ganz in ihrer Nähe jemand durch das Unterholz brechen.
    »Warte doch!«, sagte plötzlich eine gedämpfte Männerstimme. »Lass die andern vorgehen!«
    »Der Sergeant hat gesagt…«, flüsterte eine andere.
    »Der Sergeant! Der Sergeant! Der kann mich mal! Was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher