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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher
Autoren: Roland Adloff
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an. Afrom May ging nicht schnell genug. Er wollte nach der schlurrenden Fußkette fassen, da bekam er schon einen Stoß mit dem Gewehrkolben und fiel hin. »Nein, auch Frieder nicht. Aber jetzt tragen sie einen heraus … ja, ist der Böhmische Hans. Sie legen ihn unter die Kastanie… Ich glaub, der ist tot. Da liegt schon einer, muss der Prager sein … jetzt bringen sie noch einen. Ja, ist Safrans-Georg.«
    Er beobachtete, wie die Fußketten der Gefangenen mit weiteren Ketten aneinandergeschlossen wurden. »Wohin werden sie gebracht?«, fragte Lips.
    »Was weiß ich. Chemnitz oder Dresden. Wahrscheinlich Dresden.«
    »Und dann?«
    »Und dann! Na, was dann wohl? Dann werden sie verhört.«
    »Auch Rotkopf?«
    »Alt genug ist er, aber sie machen's nicht so schlimm bei den Jungens.«
    »Wie, nicht so schlimm?« Lips war ganz trocken im Hals. »Meinst du, so wie gestern? Mit Schrauben?«
    Die Mutter schwieg und sah starr geradeaus.
    »Wie kann man denn so etwas machen?«
    »Leise doch!«, sagte die Mutter gereizt. »Jetzt red doch nicht so blöd rum! Du immer mit deinem Gerede. Redest rum wie der Arnold damals. Bringst uns noch an den Galgen damit! Es ist doch auch nichts gewesen! Tullian muss doch wissen, wie sich einer anstellt. Denkst du, dem bringt so was einen Spaß!? Der muss auf eine Ordnung achtgeben, muss der doch! Das wirst du auch noch begreifen! Siehst ja, was passiert, wenn so einer wie der Safrans-Georg nichts abkann.« Die Mutter sah angestrengt nach unten, wo sich der Zug mit den Gefangenen in Bewegung setzte. »Tullian muss sich verlassen können, bis aufs Blut. Wenn einer auf Wache steht, dann darf der nicht rumträumen! … Mir platzt der Schädel! Ist alles verschwommen! Siehst du Tullian?«
    »Nein, nirgends. Jetzt tragen sie den Prager wieder zurück in die Scheune. Vielleicht hat Vater sich mit Frieder gerettet?«
    »Vielleicht«, sagte die Mutter, fasste sich an den Kopf und verzog das Gesicht schmerzverzerrt. »Oder sie liegen beide in der Scheune.«
    »Du meinst verletzt?«
    »Was weiß ich! Wenn Tullian dich erwischt, dann mach dich jedenfalls auf was gefasst. Hast wieder rumgekrakelt, was?«
    »Ich hab doch nichts von den Soldaten gesehen«, sagte Lips kleinlaut.
    »Geträumt hast du! Daran ist der Arnold schuld! Das war ein schlechter Einfluss, der Arnold… Hab ich immer gesagt.« Die Mutter wiegte mit dem Kopf auf und ab. Sie ließ lange Pausen zwischen den Sätzen und sprach mit bitterem Ton. »Nein, der war kein Kochemer nie nicht, nein, das war der nicht… Hab's immer gewusst, das mit dem Rumgekrakel. Wie der dich damit verdorben hat! Auch mit den Büchern in seiner Stube… Das Getue da heimlich! Ein Vermögen hat der doch für die Bücher hingeworfen, der Jud'. Wenn's nur das Würfeln gewesen wär, aber für Bücher! … Hab mich immer gewundert, wo der Arnold die Münzen her hatte, so wie der immer alles mit Lotter-Stoffel verwürfelt hat… Hast ihm doch immer beim Einschmelzen vom Gold und Silber geholfen! Bist doch nie nicht aus der Stube vom Jud' rausgekommen. Hab's immer gewusst mit eurer Panscherei da oben. Auch mit den Münzen, die der Arnold sich von unserm Silber geschlagen hat… Hast ihm auch noch geholfen, was?«
    Lips schwieg. Er wollte nicht daran erinnert werden und sah angestrengt zur Schenke hinunter.
    »Nein, nein!« Die Mutter schüttelte entschieden den Kopf. Sie fasste sich mit beiden Händen an den Ohren, drückte, dann sah sie starr geradeaus. »Jetzt guck doch nach meinem Kopp! 's dreht sich alles!« Die Mutter kniete auf allen vieren und verkrallte sich mit den Händen im gelben Herbstgras. »Verdammt, 's dreht sich! Ich krieg's Freisel.«
    Lips wartete etwas, dann wickelte er vorsichtig das Tuch ab. Die Wunde vorne am Kopf war nicht so groß, wie er sich vorgestellt hatte. Nur etwas frisches Blut quoll zwischen der dunklen Kruste hervor.
    »Und?«, fragte die Mutter. »Siehst du die Kugel? Steckt sie drin?«
    »Ich glaub.«
    »In der Höhle unten ist noch die schwarze Salbe. Die zieht die Kugel raus. Hol sie, dann verschwinden wir hier.«
    »Wohin gehen wir denn?«
    »Hab mit Tullian was ausgemacht, wenn mal so was passiert.«
    Mit Herzklopfen schlich Lips noch einmal zur Höhle zurück und holte den Topf mit der schwarzen Salbe, die für ihn gedacht war. Er schmierte die Wunde, wobei die Mutter aufjaulte. Ein letztes Mal blickte Lips hinunter zur Grabich-Schenke. Wie oft hatte er sich ausgemalt, wie es sein würde, wenn er von hier weggehen und alles
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