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Der Goldkocher

Der Goldkocher

Titel: Der Goldkocher
Autoren: Roland Adloff
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schlug der Vater seinen Kopf auf die Bank. Lips wurde schwarz vor Augen. Er wollte doch Arnold nicht verraten und schwieg weiter.
    »Du sollst doch aufpassen, was der Arnold da oben macht!«, schrie der Vater und presste ihn auf das Holz. »Hab ich dir das nicht gesagt? Also, du bist doch immer bei dem in der Stube! Woher hat der Arnold die Münzen zum Würfeln?«
    »Nein, nein!«, heulte Lips auf.
    »Also? Der Arnold pfuscht doch rum, der bescheißt mich!«
    Der Vater fasste nach, bereit zum nächsten Schlag.
    »Ich bin doch nicht immer oben!« Ihm wurde schwarz vor Augen.
    »Was heißt das?«
    »Ich krieg doch nicht alles mit!«, jaulte es aus ihm heraus.
    »Dann also doch!« Der Vater ließ endlich von ihm ab und griff nach dem Brecheisen. »Wusste ich's doch! Komm Frieder!«
    Der Vater stürmte mit Frieder und Lotter-Stoffel hoch in Arnolds Stube. Lips stand unten an der Treppe. Schnelle Schritte, Rufen.
    »Raus!«, hörte Lips die gedämpfte Stimme von Arnold. »Raus hier, verfluchtes Pack!«
    Gepolter, Krachen, die Stimme des Vaters. Arnold musste gegen die Tür geflogen sein und schrie auf. Dann plötzliche Ruhe; nur kurze, harte Befehle des Vaters. Lips stand wie versteinert da. Er meinte ins Bodenlose zu fallen und hörte, wie Schränke und Kommoden aufgebrochen wurden; dann das Bersten der Dielenbretter, die der Vater mit dem Brecheisen aushebelte. Lotter-Stoffel kam mit einer Kiste voller Bücher die Treppe herunter…
    ***
    Ein naher Donnerschlag ließ Lips zusammenfahren und holte ihn aus der Erinnerung. Die Mutter stöhnte auf und griff nach seinem Arm. Lips zuckte zurück. Von irgendwo hörte er das aufgepeitschte Kläffen der Fanghunde. Die Soldaten durchstreiften jetzt den Wald, vermutete er. Die Mutter zog wieder ihre Hand zurück und wimmerte vor sich hin.
    Manchmal, wenn das Bild der Daumenschraube wiederkommen wollte, dann hielt es Lips nicht mehr aus. Abrupt stand er auf und spähte aus dem Erdloch. Draußen prasselte inzwischen der Regen nieder. Es wogte vom Himmel, als sollte die Erde versaufen.
    »Aufgepasst hast du nicht!«, sagte die Mutter und wimmerte vor sich hin. »Mein Schädel, mein Schädel! … Ich brauch was zum Saufen!«
    Sie hockten die ganze Nacht in ihrem Versteck. Mit den Händen schöpfte er das Regenwasser, das in das Loch hineinlief. Es pochte in der Brüsche, und eine Bilderflut raste vor seinem inneren Auge vorbei. Immer wieder sah er Arnold, der sich am Fensterkreuz erhängt hatte. Das war jetzt die Rache für Arnold, den der Vater in den Tod getrieben hatte! Der Vater war doch an allem schuld! Arnold, der Lips heimlich die ersten Buchstaben gezeigt hatte; der es als Einziger gewagt hatte, sich schützend vor ihn zu stellen!
    ***
    Erst bei Morgengrauen wagten sie sich hinaus. Lips konnte die Grabich-Schenke nur undeutlich ausmachen. Die Mutter hatte sich einen Streifen vom Kleid abgerissen und um den Kopf gewickelt. Sie kletterten durch das Unterholz hoch bis auf die Anhöhe, suchten Schutz unter einem Felsvorsprung und warteten. Manchmal beugten sie sich vorsichtig vor und spähten durch einen blattlosen Strauch hinunter. Die Mutter rieb sich die klammen Finger und mied seinen Blick.
    Der Himmel klarte auf. Soldaten waren zu sehen, die um die Scheune herum postiert waren und Gewehre im Anschlag hielten. Rauch quoll aus dem Schornstein, und Betriebsamkeit stellte sich ein. Soldaten kamen aus der Schenke, schlugen an der Kastanie ihr Wasser ab, wuschen sich am Bach die Gesichter und füllten ihre Flaschen. Einige gingen hinüber in die Scheune. Die Wolken rissen einen Spalt auf, frische Sonnenstrahlen brachen durch und schlugen milchige Lichtschneisen. Dann sahen sie Soldaten, die auf der gegenüberliegenden Seite in scharfem Ritt den Weg aus dem Sächsischen hinunterkamen. Die Soldaten postierten sich doppelt um das Scheunentor, und nacheinander wurden Männer, Frauen und Kinder, die in Hand- und Fußeisen geschlossen waren, herausgeführt.
    Lips erkannte zuerst Lotter-Stoffel, der einen Wickel um das Bein hatte und humpelte, dahinter die Grabich-Wirtin und Rotkopf, den Lips in Verdacht hatte, dass dieser ihn an Frieder wegen des Schreibzeugs verraten hatte.
    »Siehst du Tullian?«, fragte die Mutter und tastete mit zittrigen Fingerspitzen nach einem Schönheitspflaster, das nur noch an einem Rand hing. Die dicke Schminkpaste in ihrem Gesicht bröckelte, und die bloßen Stellen zeigten ihr vom Branntwein zerstörtes Gesicht.
    »Nein, nirgends.« Lips strengte seine Augen
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