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Eifelbaron

Eifelbaron

Titel: Eifelbaron
Autoren: Rudolf Jagusch
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EINS
     
    Bruce Baron spritzte sich Wasser ins Gesicht. Er war allein auf der Toilette. Gut. So konnte er sich vor seinem großen Auftritt noch mal sammeln. Wie in Watte gepackt drang dumpf die Musik an seine Ohren. Die Band spielte ausgezeichnet, und er freute sich, dass er sie engagiert hatte.
    Der Blick in den Spiegel zeigte ihm einen ausgemergelten und bleichen Mittfünfziger. Der drastische Gewichtsverlust in den letzten sechs Wochen hatte seine Wangen einfallen lassen, dunkle Ränder unter den Augen ließen ihn krank aussehen. Er nahm sich ein Papiertuch von der Ablage, trocknete sich die Hände und verließ die Toilette.
    Im Ballsaal empfing ihn ein warmes gelbes Licht. Auf den runden Tischen, um die seine Gäste saßen, leuchteten Kerzen. Einige Paare tanzten ausgelassen auf der Tanzfläche.
    Zufriedene Gesichter strahlten Baron an, als er zur Bühne schlenderte. Unauffällig gab er einer der Kellnerinnen ein Zeichen. Sie griff sich einen kleinen Karton, der unter dem Buffet stand, und begann, Kuverts an die Gäste zu verteilen. Bruce hatte ihr eingeschärft, allen zu sagen, dass sie die persönlich adressierten Umschläge erst nach seiner Rede öffnen durften. Er beobachtete, wie die Ersten ihre Umschläge erhielten. Zufrieden stellte er fest, dass sie der Aufforderung nachkamen und die Kuverts unangetastet ließen.
    Baron lächelte. Als er am Tisch des Bürgermeisters vorbeikam, blieb er stehen und klopfte seinem alten Freund auf die Schulter. »Gefällt es dir?«
    »Na sicher«, rief der Bürgermeister aus und schmauchte an seiner Zigarre. »Du hast dich das fünfundzwanzigjährige Firmenjubiläum ja richtig was kosten lassen. Hervorragend!«
    »Ja, nur vom Feinsten«, bestätigte Baron und gab seiner Frau Susanne, die links vom Bürgermeister saß, einen Kuss in den Nacken. Sie trug ein weinrotes Abendkleid, das ihre Figur umschmeichelte. Die Perlenkette um ihren Hals schimmerte matt im Kerzenschein und betonte ihr freizügiges Dekolleté. Baron wusste, dass seine Frau einige Eskapaden mit anderen Männern gehabt hatte. Sie war kein Kind von Traurigkeit. In diesem Punkt unterschieden sie sich kaum. Allerdings sah das beim Thema Eifersucht anders aus. Er nahm es eher gelassen, wenn sie sich mal vergnügte, verzieh ihr die Seitensprünge. Sie dagegen machte ihm jedes Mal eine Szene, hatte ihn sogar schon mit einem Messer angegriffen. In ihrer Wut kannte sie keine Grenzen. Trotzdem liebte er sie immer noch.
    »Bist du aufgeregt?«, flüsterte sie ihm ins Ohr. Ihr Atem roch süßlich nach Prosecco.
    Er zuckte mit den Schultern. »Ein wenig.« Er gab ihr noch einen Kuss und schlenderte weiter.
    Die Band war wirklich ein Glücksgriff gewesen. Die Musiker trafen jeden Ton und schienen sich dabei noch nicht mal anstrengen zu müssen. Die attraktive Sängerin hauchte lasziv ihren Text ins Mikro. Ein echter Augenschmaus, dachte Baron und zwinkerte ihr zu. Sie strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr und winkte kaum merklich in seine Richtung.
    Ein rundlicher Mann mit Glatze kam auf ihn zu und schüttelte enthusiastisch seine Hand. »Vielen, vielen Dank, Chef. Ich habe mich seit Jahren nicht mehr so köstlich amüsiert. Und erst das Buffet! Phantastisch. Ich habe noch nie Perlhuhn gegessen. Und echten Kaviar auch nicht.« Der Mann beugte sich vor und setzte eine verschwörerische Miene auf. »Das hat bestimmt ein Vermögen gekostet.«
    Der Ludwig aus der Werbeabteilung. Ein zuverlässiger Mitarbeiter, mitunter leider ein wenig wehleidig, dachte Baron. »Das Beste ist gerade gut genug für meine Mitarbeiter. Aber ich verrate Ihnen ein Geheimnis«, sagte er und senkte die Stimme. »Es ist noch nicht bezahlt.«
    »Ach Sie«, gab Ludwig zurück und lachte. »Sie machen Witze.« Er ließ Barons Hand los und schob eine ebenfalls rundliche Frau vor. Sie reichte Baron bis zum Bauchnabel.
    Ein lebender Medizinball, dachte dieser amüsiert, hörte ihren Namen, während er ihr freundlich zulächelte, und vergaß ihn auch sofort wieder. Damit wollte und musste er sich nicht mehr belasten. Er entschuldigte sich bei den Ludwigs und schritt die Treppe zur Bühne hinauf.
    Die Band spielte die letzten Takte von »Rhapsody in Blue«. Geduldig lauschte er. Es freute ihn, dass die Musiker extra für diesen Anlass Gershwins Meisterwerk einstudiert hatten. Es war sein Wunsch gewesen, da es ihn an seine Anfangszeiten erinnerte, als er noch selbst Klinken geputzt hatte. Bei einer rassigen dunkelhäutigen Kubanerin war er damals mehr als
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