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Der goldene Thron

Titel: Der goldene Thron
Autoren: Katia Fox
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macht er noch dort oben?«, hörte er den Kammerherrn mürrisch fragen. »Mittag ist längst vorüber.«
    »Groß tut er«, rief einer der Knappen. »Sagt, er will bis zum Abendrot ausharren, dabei könnte er doch längst runter.«
    Tancarville nickte verstehend. »Komm zu mir, wenn du hierfertig bist«, sagte er an Guillaume gewandt, drehte sich um und ging mit langen Schritten davon.
    »Ja, Herr!«, antwortete Guillaume laut und entschlossen. Die Hitze in seinem Gesicht verriet ihm, dass er errötet war. Er räusperte sich verlegen und heftete seinen Blick wieder auf die Mauer. Sein Herr war gewiss mächtig stolz auf ihn. Eine warme Welle spülte in seinen ausgekühlten Körper und bestärkte ihn darin, nicht aufzugeben.
    Am Nachmittag kam der Schmiedejunge noch einmal vorbei, und obwohl er auch diesmal den Kopf schüttelte, glaubte Guillaume, in seinem Blick so etwas wie Bewunderung zu sehen.
    Das Grau des Himmels war immer dunkler geworden, und als im Hof die ersten Fackeln angezündet wurden, war es vollbracht. Langsam hob Guillaume ein Bein an, ließ den Fuß kreisen, um ihn zu lockern, und stieg herab. Er streckte sich und spazierte betont gemächlich zur nächsten Latrine. Auf keinen Fall wollte er zeigen, wie unerträglich die Schmerzen in seiner Blase inzwischen waren. Hocherhobenen Hauptes stelzte er an seinen staunenden Kameraden vorbei.
     
    »Mylord, hier bin ich, wie Ihr befohlen habt.« Gleich nach der Latrine war Guillaume zu seinem Herrn geeilt. Er verneigte sich voller Vorfreude. Der Kammerherr liebte ihn, das hatte er oft genug bewiesen!
    Doch statt sich umzuwenden, starrte Lord Tancarville schweigend in das knisternde Feuer und wärmte seine ausgestreckten Hände.
    Guillaume schlug das Herz bis in den Hals.
    »Komm näher, es ist kalt«, sagte Tancarville nach einer geraumen Weile und zeigte auf den Platz neben sich.
    Erleichtert tat Guillaume wie ihm geheißen. Die Wärme war köstlich nach der feuchten Kälte, die zum Abend erneut aufgezogen war.
    »Du hast gezeigt, dass ein ganzer Kerl in dir steckt«, sagte Tancarville, ohne ihn anzusehen.
    »Ich hoffte, Euch stolz zu machen.« Bildete er sich das ein, oder klangen die Worte seines Herrn nicht lobend, sondern abweisend? Guillaume räusperte sich und scharrte mit dem Fuß über den Boden.
    »Stolz?« Tancarvilles Kopf schnellte herum. Seine Augen funkelten.
    »Ja, Herr.« Guillaumes Herz machte einen Satz. »Ich habe verstanden, was Ihr mir erklärt habt, und wollte Euch zeigen, wie lange ich durchhalten kann!« Verzweiflung stieg in ihm auf. »Ich wollte Euch beweisen, dass Ihr Euch allezeit auf mich verlassen könnt!« Guillaumes Stimme drohte zu versagen.
    »Wolltest du mich nicht vielmehr beschämen, weil ich selbst nicht so lange ausgeharrt habe wie du?«
    »Nein, Herr, ganz gewiss nicht!« Guillaume rang nach Atem. »Ich wollte einzig Eure Anerkennung. Bitte, Mylord, Ihr müsst mir glauben!« Übelkeit überkam ihn. Mit allem hatte er gerechnet, nur mit dem Zorn seines Herrn nicht.
    »Dann stimmt also nicht, was mir zugetragen wurde?«
    Guillaume sah ihn fragend an.
    »Dass du mich verspottet und die anderen zu Wetten gegen mich aufgestachelt hast?«
    »Oh, nein, Mylord! Ich bin Euer glühendster, ergebenster Bewunderer.« Guillaume fiel auf die Knie, nahm die Hand seines Herrn, küsste sie und legte seine Stirn darauf.
    Tancarville entspannte sich und wies Guillaume mit einer knappen Geste an, sich zu erheben. »Du willst zu den Besten gehören und wirst damit auch in Zukunft Neid und Missgunst auf dich ziehen. Doch ich hoffe«, er hielt kurz inne, legte Guillaume die Hand auf die Schulter und lächelte, »nein, ich bin sicher, du wirst dich von deinem Weg nicht abbringen lassen.« Er sah ihn ernst an. »Du bist mir stets ein guter Page gewesen, aufmerksam, verschwiegen und zuverlässig. Nun wirst du zeigen müssen, ob du ein ebenso guter Knappe bist.«
    »Jawohl, Mylord!« Guillaume nickte eifrig.
    »Lass uns in die Halle gehen! Du musst tüchtig essen, meinJunge. Man kann ja zusehen, wie du wächst.« Tancarville lachte und schob ihn voran.
    Erleichtert und überglücklich folgte Guillaume seinem Herrn, dessen Lob all die Mühe und den Schmerz wert gewesen war.
     
    »Streck die Hände aus!«, brüllte der Fechtmeister.
    Guillaume tat wie ihm geheißen, atmete tief ein und hielt die Luft an. Die Schläge des Stocks schnitten scharf wie Messer in seine Handflächen, doch er verzog keine Miene. Nur seine Augenlider zuckten bei jedem
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