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Der goldene Thron

Titel: Der goldene Thron
Autoren: Katia Fox
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schien Guillaume mit einer sanften Geste aufzufordern, ihm zu folgen. Doch Guillaume war noch nicht bereit zu gehen.
    Er schloss die Augen und wandte den Kopf ab. Als er sie nach einer ganzen Weile wieder öffnete, sah er, dass auch auf der anderen Seite seiner Bettstatt ein in weißes Tuch gehülltes Wesen stand. Es war ein wenig rundlicher als das andere, doch es strahlte die gleiche Güte aus.
    Mit einem Mal erfasste Guillaume Gewissheit. Da Könige von Gottes Gnaden in ihr Amt eingesetzt waren, musste der Dienst an ihnen zwangsläufig ein gesegneter, frommer Akt sein! Der Allmächtige würde ihm darum gewiss verzeihen. Ja, er erwartete ihn offenbar bereits, hatte er doch seine Engel geschickt, damit sie ihn abholten und ins Jenseits begleiteten.
    Ein grausamer Schmerz zerrte an Guillaumes Leib, durchbohrte ihn, brüllte in seinem Inneren wie ein wildes Tier, das sich mit aller Kraft zu wehren versuchte, versengte ihn mit Hitze, ließ ihn frieren, schwitzen, leise stöhnen und sich krümmen.
    »Vater! Ihr müsst Eure Drohung wahr machen!«, glaubte Guillaume eine Stimme mit Nachdruck fordern zu hören. Ein Zucken um seine Mundwinkel erhellte sein vom Schmerz verzerrtes Gesicht. Prinz Eustache, erinnerte er sich. Wie lange war das her! Der junge Mann mit dem glatt glänzenden schwarzen Haar hattevon seinem Vater, König Etienne, das Leben eines Fünfjährigen eingefordert. Eines unschuldigen kleinen Jungen, der das zweifelhafte Glück hatte, der vierte Sohn von Jean le Maréchal zu sein, einem rebellischen Baron.
    Ein Schauer, gefolgt von Hitze, lief über Guillaumes geschwächten Körper.
    Etienne de Blois hatte sich nachdenklich erst den schütteren Bart, dann das kaum dichter behaarte Haupt gekratzt und seinen Sohn mit einem Hauch von Befremden betrachtet. Feine Schweißperlen hatten auf seiner tief gefurchten Stirn gestanden. »Aber …«
    »Ihr dürft ihn nicht damit durchkommen lassen! Hängt das Kind endlich auf oder, besser noch, schneidet ihm die dürre Kehle durch und verstümmelt es!«
    Guillaumes Leib fühlte sich an wie gepfählt, trotzdem verzog sich sein Mund zu einem Schmunzeln.
    »Fünf Monate schon verschwenden wir unsere kostbare Zeit mit der Belagerung von Newbury Castle! Immer mehr Männer stellen sich gegen uns, in der Hoffnung, dass es der Kaiserin gelingt, Euch vom Thron zu stürzen. Ihr müsst endlich ein Zeichen Eurer Stärke setzen, bitte, Vater!«, hatte Eustache verzweifelt an den König appelliert. »Jean le Maréchal hat Euch seinen Sohn als Pfand für die Einhaltung der Waffenruhe übergeben, obwohl er genau wusste, dass er die vereinbarten Bedingungen nicht einhalten würde!«
    Während der Prinz mit langen Schritten vor seinem Vater auf und ab gegangen war, hatte Guillaume in einer Ecke des Zeltes gesessen und mit einem Holzpferd gespielt.
    »Wisst Ihr, was er geantwortet hat, als er Eure Drohung hörte?« Der Prinz war stehen geblieben. »Er hat laut gelacht und gesagt, sein Weib sei fruchtbar, und er sei noch immer im Besitz von Amboss und Hammer. Wir sollten den Knaben nur töten, er könne sich einen noch viel besseren Sohn schmieden als diesen!«
    Gerade als der König befehlen wollte, dass man ihn hängen sollte, war Guillaume aufgesprungen. »Kämpft du mit mir?«, hatteer den König gefragt und mit einem Strahlen auf dem Gesicht sein kleines hölzernes Schwert aus dem Gürtel gezogen.
    Sofort waren zwei junge Ritter auf ihn zugestürzt, doch Etienne de Blois hatte milde lächelnd die Hand gehoben und ihnen kopfschüttelnd Einhalt geboten.
    »Ich werde einmal ein ganf grofer Ritter, tapfer und ftark«, hatte Guillaume lispelnd erklärt.
    Sein Atem ging schwer. Er konnte sich noch genau an das Gefühl erinnern, wenn seine Zunge beim Sprechen durch das große Loch in seinem Oberkiefer hindurchgeschlüpft war, statt dort an seine Zähne zu stoßen, die er erst wenige Tage zuvor herausgewackelt hatte. Guillaume fuhr mit seiner pelzigen, bitteren Zunge über den Rand seiner Vorderzähne.
    »Ich werde allfeit für Euch kämpfen, Mylord, denn Ihr feid mein König!«, hatte er an jenem fernen Tag inbrünstig beteuert, sich mit der linken Faust auf die Brust geschlagen und das hölzerne Schwert seitlich in die Luft gestoßen, so wie er es bei den Männern des Königs gesehen hatte.
    »Treu auf ewig, solange mein Herz schlägt! Mein Leben für England und den König!«, murmelte Guillaume. Das waren seine Worte gewesen. Sie hatten sein ganzes Leben lang gegolten. Ob sie es gewesen
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