Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der goldene Esel

Titel: Der goldene Esel
Autoren: Lucius Apuleius
Vom Netzwerk:
sie fröhlich wieder nach dem Tempel zurück.
    Wie wir vor dem Tempel angelangt waren, begab sich der Hohepriester nebst denen, welche die Bilder der Götter trugen, und denen, welche vorlängst in das Allerheiligste waren aufgenommen worden, in die Sakristei der Göttin und setzten allda gehörig die atmenden Bilder nieder. Darauf erschien einer von ihnen, der von allen der Geheimschreiber genannt wurde, vor der Pforte und berief das Kollegium der Pastophoren (Erzpriester) zusammen. Sodann sprach er von einer hohen Kanzel herab aus einem Buche und aus besonderen Schriften den Segen über den Kaiser, den Senat, die Ritter und das ganze römische Volk, über die Schiffahrt und über alles aus, was der Herrschaft unseres Reiches untertan ist, und schloß endlich mit der Formel: »Gehet nun heim, es ist vollbracht!« »Amen,« antwortete auf sein Gebet mit lautem Geschrei die Gemeinde, »Amen!« Und heilige Zweige und Kräuter oder Kränze tragend, küßten alle, mit Freuden überströmt, die Füße der Göttin, die, aus Silber gebildet, auf den Stufen des Tempels stand, und zogen dann jeglicher seines Weges heim. Ich aber, ich konnte es nicht von meinem Herzen erlangen, nur einen Fingerbreit von dannen zu weichen. Meine ganze Seele auf der Göttin Ebenbild geheftet, blieb ich da und dachte meinem Schicksale nach.
    Unterdessen hatte das flügelschnelle Gerücht nicht gesäumt, flugs in meinem Vaterlande der huldreichen Göttin große Wohltat nebst meinen sonderbaren Abenteuern hin und wieder auszuposaunen. Eiligst kamen Freunde und Diener und meine nächsten Blutsverwandten, nach abgelegter Trauer über die falsche Nachricht von meinem Tode vor plötzlicher Freude außer sich, mit allerlei Geschenken herbei, mich durch göttliche Gnade Neugeborenen wiederzusehen. Ihr Anblick war mir ein wahres Labsal, da ich schon alle Hoffnung aufgegeben hatte, sie jemals mit Augen wiederzuschauen. Für ihre Geschenke aber bedankte ich mich herzlich, da meine Familie mir so viel geschickt hatte, als ich überflüssig zu Kleidung und Lebensunterhalt brauchte.
    Nachdem ich mich mit einem jeglichen von ihnen aufs freundschaftlichste unterhalten und allen meine erlittenen Trübsale und meine jetzige Glückseligkeit erzählt hatte, kehrte ich wiederum zum Anschauen meiner Göttin zurück.
    Ich mietete mir ein Haus innerhalb der Ringmauern des Tempels, worin ich meine Wohnung eine Zeitlang aufschlug, um desto bequemer mit den Priestern der Göttin Umgang zu pflegen und unzertrennlich mit denselben den öffentlichen und Privatgottesdienst abzuwarten. Da ging auch keine Nacht hin – der Schlaf schloß kein einzig Mal meine Augen –, daß die Göttin mich nicht in einem Gesichte ermahnt hätte, mich, der ich vorlängst schon zu ihrem Dienste berufen wäre, doch endlich einweihen zu lassen! Indessen, so sehnlich ich's auch selbst begehrte, so hielt mich dennoch eine heilige Furcht davon zurück. Ich hatte beobachtet, daß diese Religion sauer zu erfüllende Pflichten auferlege, zu vielerlei Enthaltsamkeit fordere und das Leben, das leider! der Mühen schon genug hat, durch gar zu strenge Selbstverleugnung noch mehr erschwere. Je mehr ich das bedachte, desto mehr eilt' ich mit Weile.
    Eine Nacht aber schien es mir im Schlafe, ich sähe den Hohenpriester mir den Schoß voll Sachen bringen, und als ich ihn fragte, was ich denn damit solle? da gäb' er mir zur Antwort: Soeben wären mir diese Sachen aus Thessalien samt meinem Diener Schimmel nachgeschickt worden.
    Lange sann ich beim Erwachen hin und her, was dies Gesicht wohl zu bedeuten haben möchte; zumal, da ich gewiß war, niemals einen Kerl, der Schimmel geheißen, in meinen Diensten gehabt zu haben. Wie ich aber auch meinen Traum drehen und wenden mochte, so konnt' ich mir dennoch nichts weiter daraus nehmen, denn allenfalls eine Hoffnung zu einem bevorstehenden Glück, weil mir doch Sachen waren zugebracht worden.
    Unruhig in der Ahnung irgendeines frohen Begegnisses, harrte ich der Eröffnung des Tempels am Morgen.
    Die weißen Vorhänge wurden endlich aufgezogen; wir beteten vor dem ehrwürdigen Bildnis der Göttin. Der Hohepriester ging von einem umherstehenden Altar zum andern, verrichtete Opfer und goß unter feierlichen Gebeten aus dem Weihkessel, der aus einem Quell im Allerheiligsten des Tempels gefüllt worden, Wasser aus. Dies auf gebührende Weise vollbracht, begannen alle Eingeweihten laut die Frühmette zu singen. Und siehe da, die Bedienten, die ich zu Hypata gelassen hatte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher