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Der goldene Esel

Titel: Der goldene Esel
Autoren: Lucius Apuleius
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fünfte erschien mit einer Schwinge, die von goldenen Zweigen geflochten war, und der sechste mit einem Wasserkruge. Unmittelbar darauf sah man die Götter selbst, die sich gefallen ließen, auf den Füßen sterblicher Menschen einher zu wandeln. Da war, mit schrecklichem, langhalsigem Hundskopfe, der Bote der oberen und unteren Götter . Er trug sein halb schwarzes, halb goldenes Antlitz empor und schwang in der Linken einen Caduceus und in der Rechten einen grünen Palmzweig. Dicht hinter ihm folgte eine Kuh in aufrechter Stellung. Diese Kuh, das segenvolle Bild der allgebärenden Göttin, trug der seligen Priesterschaft einer auf seinen Achseln mit großem Prunke. Von einem andern wurde der mystische Korb getragen, welcher die Geheimnisse der wundertätigen Religion in seinem Innern verwahrt. In beiden Armen hielt ein anderer Glückseliger des höchsten Wesens ehrwürdiges Bild. Weder mit einem Vogel noch mit einem zahmen oder wilden Tiere, noch auch mit einem Menschen hatte es einige Ähnlichkeit; doch war es, der sinnreichen Erfindung und selbst der Neuheit wegen, nicht nur anbetungswürdig, sondern auch der unaussprechlichste Beweis der höheren, aber in tiefstes Stillschweigen einzuhüllenden Religion. Es war eine kleine, aus schimmerndem Golde sehr künstlich gebildete Urne mit rundem Boden; auswärts mit den wundersamen, hieroglyphischen Charakteren der Ägypter bezeichnet. Ihr kurzer Hals, der sich vorn zu einem breiten Schnabel verlängerte, verlor hinten sich in eine wohlgeschwungene Handhabe, an welcher sich eine Schlange hinanwand, deren Kopf mit buntschuppigem, giftgeschwollenem Nacken hoch darüber emporragte. Ganz zuletzt erschien der Trost, die Hilfe, welche mir die mitleidige Göttin verheißen. Mein Heil in den Händen, trat der Hohepriester einher. Vollkommen der göttlichen Offenbarung gemäß trug seine Rechte ein Sistrum für die Göttin und für mich einen Kranz, einen wahrhaftigen Siegeskranz; denn nach so viel erduldetem Elend, nach so viel bestandenen Mühen und Gefahren ward ich nun endlich mit dem Beistande der höchsten Göttin Sieger über mein grausames Schicksal. Inzwischen ließ ich mich nicht von jäher Freude hinreißen und stürzte blindlings hinzu, damit ich nicht die Ordnung und Andacht der Prozession stören möchte, wenn ich ungestüm angelaufen käme, sondern so gesetzt, so ehrfurchtsvoll, als immer ein Mensch hätte tun können, schlich ich mich ganz geduckt bis zu meinem Heiland allgemach hinan, indem auf göttliche Eingebung mir das Volk auf beiden Seiten auswich.
    Da gemahnte es den Hohenpriester sofort seines nächtlichen Gesichts. In sichtbarer Verwunderung, daß alles genau mit demselben übereinträfe, blieb er stehen, reichte mir von selbst die Rechte hin und hielt den verhängnisvollen Kranz mir dicht vor den Mund.
    Zitternd und unter dem gewaltigsten Herzklopfen ergriff ich mit gierigen Lippen den aus den schönsten Rosen gewundenen Kranz und verschlang ihn hastig. Stracks ward erfüllt die himmlische Verheißung!
    Zusehends fiel die häßliche Tiergestalt von mir ab. Es verging das schmutzige Haar. Die Haut verdünnte sich. Der fette Panzen zog sich ein. Aus den Hinterhufen drängten sich Zehen hervor. Zu Händen mit Fingern versehen wurden die Vorderhufe. Der lange Hals verkürzte sich. Kopf und Gesicht wurden rund. Die ungeheuren Ohren nahmen ihre vorige Kürze wieder an. Die tölpischen Zähne wurden menschlich. Und er, der traun mich mehr denn alles übrige gekränkt hatte, der lange Zagel verschwand.
    Es staunte das Volk. Die Priester beteten an die Allmacht der Göttin, die sichtbarlich im Nu, gleichwie in einem Traumgesichte, meine Verwandlung bewirkte. Aller Hände waren gen Himmel gestreckt, und man hörte nur einen Schrei des Erstaunens ob dem so großen Wunder.
    Mein Herz vermochte eine so plötzliche, so überschwengliche Freude nicht zu fassen. Starr und stumm stand ich da und wußte nicht, was ich zuerst sagen, womit ich die wiedererhaltene Stimme und Sprache am glücklichsten versuchen und mit welchen Worten ich der wohltätigen Göttin meinen Dank zu erkennen geben sollte. Schier winkte der Hohepriester, der zwar von allen meinen Abenteuern durch göttliche Eingebung unterrichtet, darum aber nicht weniger über das Wunder, das vor seinen Augen vorging, erstaunt war, daß mir ein leinen Gewand gereicht würde, weil ich mich von dem Augenblick an, als ich mich von der garstigen Eselshülle befreit fühlte, in mich selbst zusammengeschmiegt hatte und
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