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Der goldene Esel

Titel: Der goldene Esel
Autoren: Lucius Apuleius
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Gespenstern gebietet und unter der Erde sie einkerkert, währenddaß sie entlegene Haine durchirrt, wo ein mannigfacher Dienst ihr geweiht ist: Göttin! die Du mit jungfräulichem Scheine alle Regionen erleuchtest, mit Deinem feuchten Strahle der fröhlichen Saat Nahrung und Gedeihen gibst und nach der Sonne Umlauf Dein wechselndes Licht einteilst; unter welchem Namen, unter welchen Gebräuchen, unter welcher Gestalt Dir die Anrufung immer am wohlgefälligsten sein mag! Hilf mir in meinem äußersten Elende! stehe mir bei, daß ich nicht gänzlich zugrunde gehe; nach so vielen, so schwer überstandenen Trübsalen verleihe mir endlich einmal Ruhe und Frieden! Ich habe genug des Jammers, genug der Gefahren! Nimm von mir hinweg die schändliche Tiergestalt! Laß mich wieder werden, was ich war; laß mich Lucius werden und gib mich den Meinigen wieder! Oder habe ich ja irgendeine unversöhnliche Gottheit ohne mein Wissen beleidigt: Ach, so sei lieber mir erlaubt, zu sterben denn also zu leben, o Göttin!«
    Nachdem ich solchergestalt gebetet und mein Leid geklagt hatte, kehrt' ich auf meinen vorigen Ruheplatz zurück, und ein süßer Schlaf bemächtigte sich aufs neue meiner Sinne.
    Kaum war ich eingeschlummert, siehe, so erhob sich eine göttliche Gestalt mitten aus dem Meere! Erst zeigte sich ihr selbst den Göttern ehrwürdiges Antlitz, darauf entstieg nach und nach ihr ganzer Körper den Wellen.
    Das herrliche Gebild schien vor mir stillezustehen.
    Ich will versuchen, Euch diese wunderbare Erscheinung zu schildern, wenn anders die Armut menschlicher Sprache zu der Beschreibung hinreicht oder die mir erschienene Gottheit mir Fülle der Beredsamkeit will angedeihen lassen.
    Reiche, ungezwungene Locken spielten sanft in angenehmer Verwirrung um den Nacken der Göttin; ihren hohen Scheitel schmückte ein vielförmiger Kranz mit mancherlei Blumen. Über der Mitte der Stirn glänzte mit blassem Scheine eine flache Rundung nach Art eines Spiegels oder vielmehr der Scheibe des Mondes, darumher auf beiden Seiten sich gewundene Schlangen gleich Furchen zogen, und darüber hin, wie bei der Ceres, Kornähren gelegt waren.
    Ihr Kleid war feiner Kattun, der bald weiß, bald gelb, bald rosenrot wechselte. Es umhüllte sie ein Mantel von blendender Schwärze, der unter dem rechten Arm hindurch über die linke Schulter geschlagen war. Der Zipfel wie der Schild eines Kriegers über den Rücken zurückgeworfen, fiel in mannigfachen Falten hinab, und die Fransen des Saumes flatterten zierlich im Winde. Sowohl auf der Verbrämung als auf dem Mantel selbst flimmerten zerstreute Sterne, in deren Mitte der Vollmond in seiner ganzen Pracht glänzte, und eine schwere Kette allerlei künstlich zusammengeordneter Blumen und Früchte irrte allenthalben verloren darüber hin.
    In ihren Händen führte die Göttin weit voneinander verschiedene Dinge; denn in der Rechten hielt sie eine goldene Klapper, durch deren schmales Blech, das sich wie ein Gürtel zusammenbog, einige Stäbe gezogen waren, die beim dreimaligen Schütteln des Armes einen hellen Klang gaben. Von der Linken aber hing ihr ein goldenes Trinkgeschirr herab, über dessen Handhabe an der Seite, wo sie sichtbar war, eine Schlange sich emporreckte mit hocherhobenem Haupte und geschwollenem Nacken.
    Ihre ambrosiaduftenden Füße bedeckten Schuhe aus Blättern der Siegespalme geflochten.
    Also geschmückt und des seligen Arabiens Wohlgeruch um sich her verbreitend, würdigte die hohe Göttin mich folgender Anrede:
    »Schau! Dein Gebet hat mich gerührt. Ich, Allmutter Natur, Beherrscherin der Elemente, erstgeborenes Kind der Zeit, Höchste der Gottheiten, Königin der Manen, Erste der Himmlischen; ich, die in mir allein die Gestalt aller Götter und Göttinnen vereine, mit einem Wink über des Himmels lichte Gewölbe, die heilsamen Lüfte des Meeres und der Unterwelt klägliche Schatten gebiete. Die alleinige Gottheit, welche unter so mancherlei Gestalt, so verschiedenen Bräuchen und vielerlei Namen der ganze Erdkreis verehrt – denn mich nennen die Erstgeborenen aller Menschen, die Phrygier, pessinuntische Göttermutter – ich heiße den Atheniensern, Kindern ihres eigenen Landes, kekropische Minerva; den eiländischen Kypriern paphische Venus; den pfeilführenden Kretern dictynnische Diana: den dreizüngigen Siziliern stygische Proserpina; den Eleusinern Altgöttin Ceres. Andere nennen mich Juno, andere Bellona, andere Hekate, Rhamnusia andere. Sie aber, welche die aufgehende Sonne
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