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Der goldene Esel

Titel: Der goldene Esel
Autoren: Lucius Apuleius
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mit ihren ersten Strahlen beleuchtet, die Äthiopier, auch die Arier und die Besitzer der ältesten Weisheit, die Ägypter, mit den angemessensten eigensten Gebräuchen mich verehrend, geben meinen wahren Namen mir: Königin Isis. – Ich erscheine Dir aus Erbarmen über Dein Unglück; ich komme zu Dir in Huld und Gnaden. Hemme denn den Lauf Deiner Tränen! Stelle ein Dein Trauern, Dein Klagen! Der Tag Deines Heils ist da, kraft meiner Allmacht; öffne nur Deine betrübte Seele meinem göttlichen Gebote!
    Der Tag, welcher auf diese Nacht folgt, ist mir durch uralte Gewohnheit geheiligt. Die Winterstürme sind vorüber, des Meeres Ungestüm hat sich gelegt; die Schiffahrt beginnt: Meine Priester weihen mir ein neugezimmertes Schiff und opfern mir die Erstlinge jeglicher Ladung. Erwarte ihren heiligen Zug weder mit schüchternem noch frechem Gemüt. Auf mein Geheiß wird der Hohepriester einen Rosenkranz in der rechten Hand am Sistrum hangen haben. Dränge nur unverzüglich Dich durch die Menge hindurch, gehe im Vertrauen auf meinen Schutz getrost dem Zuge entlang, bis Du Dich so nahe bei dem Hohenpriester befindest, daß Du unter dem Scheine eines Handkusses unvermerkt einige Rosen ihm rauben kannst: sofort wirst Du die Gestalt dieses garstigen, mir längst verhaßten Tieres ablegen! Fürchte bei Ausführung dieses meines Gebots keine Schwierigkeit; denn in diesem selbigen Augenblicke, da ich hier vor Dir stehe, bin ich auch dort meinem Hohenpriester im Traume gegenwärtig und offenbare ihm, was geschehen wird, und wie er sich dabei zu verhalten habe. Auf meinen Befehl soll vor Dir das herzudrängende Volk Platz machen. Niemand soll bei der frohen Feierlichkeit und dem festlichen Schauspiele Scheu vor diesem Deinem häßlichen Ansehen tragen noch soll irgendein böser Ausleger Deine plötzliche Umwandlung boshafterweise verunglimpfen. Nur sei eingedenk und verliere nicht aus Deinem Gedächtnis, daß mir von nun an Deine übrigen Tage bis auf Deinen letzten Odemzug verbürgt sind! Denn billig bist Du derjenigen, durch deren Wohltat Du wieder unter die Menschen zurückkehrst, Dein ganzes Leben schuldig. Inzwischen wirst Du glücklich, wirst Du rühmlich unter meinem Schutze leben, und wann Du hier Deinen Weg vollendet hast und zur Unterwelt hinabwandelst, so wirst Du auch dort, auf jener unterirdischen Halbkugel, mich, die Du vor Dir siehst, die ich des Acherons Finsternisse erleuchte und in den stygischen Behausungen regiere, als ein Bewohner der elysischen Gefilde fleißig anbeten und meiner Huld Dich zu erfreuen haben. Ja, wofern Du Dich durch unablässigen Gehorsam, durch gewissenhafte Beobachtung meines Dienstes, durch strenge Fasten und Keuschheit genugsam um meine Gottheit verdient machst: so wirst Du auch erfahren, daß es allein in meiner Macht steht, Dir selbst das Leben zu fristen bis über das vom Schicksal Dir bestimmte Ziel hinaus.«
    Nachdem die ehrwürdige Gottheit also huldreich zu mir gesprochen, wich sie in sich selbst zurück.
    Unverzüglich war mein Schlaf dahin, und voller Furcht und Freude und wie mit Schweiß übergossen stand ich auf. Im äußersten Erstaunen über die so offenbare Erscheinung dieser gewaltigen Göttin wusch ich mich abermals im Meere und dachte ihren hohen Befehlen samt der beigefügten Ermahnung nach.
    Kurze Zeit darauf, als das schwarze Gewölk der Nacht verschwunden und die goldene Sonne hervorging, da sah man alle Landstraßen mit einer großen Menge Leute angefüllt, die zur heiligen Feierlichkeit allerorten herzukamen.
    Alles und jegliches schien mir dermaßen mit der Fröhlichkeit meines Herzens zu sympathisieren, daß nicht allein die Tiere aller Arten, sondern auch die Häuser, ja der Tag selbst mich heiterer und vergnügter anzulächeln schienen. Anstatt des gestrigen rauhen Nebels wallten milde, gelinde Lüfte. – Überall, von Frühlingsluft begeistert, stimmten die Vögel angenehme Konzerte an und begrüßten der Gestirne Mutter, die Fürstin der Zeiten und des Weltalls Beherrscherin mit lieblichem Gesange. Auch fruchttragende und andere, nur schattengebende Bäume, erweckt vom Hauche der Mittagswinde, wiegten mit sanftem Wohllaute ihre Zweige, prangend mit den glänzenden Knospen junger Blätter. Jeglicher brausende Sturm schwieg; das Meer, keine düsteren Wogen auftürmend, spülte ruhig an das Gestade, und der Himmel, von Wolken rein, schimmerte im blendenden Glanze seines eigenen Lichtes.
    Siehe, da erschien allgemach der lustige Vortrab des heiligen Aufzuges.
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