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Der goldene Esel

Titel: Der goldene Esel
Autoren: Lucius Apuleius
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solchergestalt und mit vorgehaltenen Händen, so gut ich nur konnte, meine Blöße zu decken suchte. Einer von den Geweihten zog sofort seinen Oberrock aus und warf mir ihn schleunigst über.
    Nun hob der Hohepriester mit fröhlichem Gesicht und begeistert über meine Menschwerdung also an:
    »Willkommen, o Lucius, nach so viel und mancherlei bestandenen Abenteuern, nach so wilden, erlittenen Stürmen und Ungewittern des Schicksals, willkommen im Hafen der Ruhe, willkommen am Altare der Barmherzigkeit! Schau, trotz Deiner Geburt, Deines Standes, Deiner großen Gelehrsamkeit selbst, bist Du auf die schlüpfrige Bahn der Jugend geglitten, zur Buhlerei mit einer Magd hinabgesunken und hast einen unseligen Vorwitz teuer bezahlt. Und trotz seiner Blindheit, seiner Bosheit, seiner Schadenfreude hat das feindselige Glück durch die schlimmsten Widerwärtigkeiten Dich hierher zu Deinem Heile geführt. Es gehabe sich nun wohl und gehe und übe an andern Wut und suche andere Gegenstände für seine Grausamkeit! Wer, wie Du, von unserer erhabenen Göttin zum Diener erkoren, der steht außer der Macht desselben. Mag es Dir noch so sehr durch Räuber, durch wilde Tiere, durch Sklaverei, durch mühselige Märsche, durch tägliche Todesgefahr mitgespielt haben: der Tyrannei des blinden Wesens ist nun ein Ende. Du bist in den Schutz einer sehenden Gottheit aufgenommen, die auch die übrigen Götter durch den Schein ihres Lichtes erleuchtet! Nimm denn eine fröhliche Miene an, so wie sie sich zu diesem weißen Gewande schickt, und begleite mit Frohlocken das Gepränge Deiner göttlichen Wohltäterin. Es sehen Dich die Ungläubigen, sehen Dich und erkennen ihren Irrtum! Schauet auf, Ihr Unglückseligen! Sehet da des durch die Allmacht der großen Isis vom Elend erretteten Lucius Triumph über das Unglück! Doch, um sicherer, um desto beschirmter hinfort zu wandeln, so verleibe Dich, o Lucius, auf der Stelle unserm heiligen Orden ein; unterziehe freiwillig Dich mit unbedingtem Gehorsam unsern gottesdienstlichen Satzungen: bis für Dich der glückliche Augenblick kommt, da Du das feierliche Gelübde wirst ablegen dürfen! Je früher Du Dich der Göttin weihest, je süßere Früchte wirst Du für Deine hingegebene Freiheit einernten.«
    Nachdem der Hohepriester also mit heiliger Salbung gesprochen, schwieg er keuchend. Ich aber mischte mich unter die Geweihten und begleitete den heiligen Zug.
    Da hätte man sehen sollen, wie nach mir geguckt wurde! Alle Welt wollte mich kennen. Einer wies mich immer dem andern, bald durch Winke, bald durch Fingerzeigen, und wohin ich mich wandte, hört' ich wispern: »Da, da geht der, welchen heut die allmächtige Isis wiederum zum Menschen verwandelt hat! Wie glücklich, wie selig ist er doch zu preisen! Er muß vorher einen sehr unschuldigen, tugendhaften Lebenswandel geführt haben, daß ihm eine so ausnehmende Gunst des Himmels widerfahren und sowie er nur gleichsam wieder in das Leben getreten, er sogleich auch zum Priester angeworben worden ist!«
    Unter solcherlei Gerede und unterm Getöse feierlicher Gebete rückten wir allmählich fort, bis wir dem Gestade nahten und endlich an denselben Ort kamen, wo ich vergangene Nacht meine Ruhestätte gehabt hatte.
    Daselbst wurden die Bilder der Götter gehörig in Ordnung aufgestellt. Mit keuschem Munde verrichtete sodann der Hohepriester ein förmliches Gebet, reinigte mit brennender Fackel, Ei und Schwefel ein künstlich gezimmertes und ringsumher mit ägyptischen Wundermalereien geziertes Schiff und weihte und heiligte es der Göttin.
    Im blendenden Segel dieses heiligen Kiels stand mit großen Buchstaben das Gelübde für die gesegnete Schiffahrt des neuen Jahres geschrieben. Hoch erhob sich der runde, glattbehauene Tannenmast mit wallendem Wimpel. Auf dem Hinterteile prangte eine vergoldete Gans mit gewundenem Halse, und über und über glänzte das ganze Schiff von geglättetem, köstlichem Zitronenholz.
    Nun kamen Priester und Laien und trugen um die Wette Körbchen voll Gewürze und solcherlei Geschenke herbei und gossen eine Milchmährte über die Wellen hin.
    Als endlich das ganze Schiff mit reichlichen Gaben und Sühnopfern angefüllt war, so wurden die Ankertaue gelöst, und ein eigener, frischer Wind trieb es in die hohe See.
    Sobald es aus unserm Gesichte verschwunden war, nahmen die heiligen Träger ein jeglicher dasjenige wieder, was er gebracht hatte, und unter denselbigen Gebräuchen, worunter die feierliche Prozession gekommen, kehrte
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