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Der goldene Esel

Titel: Der goldene Esel
Autoren: Lucius Apuleius
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als Fotis aus Versehen mich zum Langohr gemacht, traten herein. Meine mütterlichen Anverwandten brachten sie mir nebst meinem Pferde, das sie, nachdem es schon durch verschiedene Hände gegangen war, an einem Zeichen auf dem Rücken wiedererkannt und revindiziert hatten. Zu meiner großen Verwunderung sah ich also meinen Traum vollkommen ausgehen, sah die mir verheißenen Sachen, sah meinen treuen thessalischen Schimmel, der als Bedienter mir war angedeutet worden.
    Hierdurch bewegt, widmete ich mich mit desto lebendigerem Eifer dem Dienste der Göttin. Diese gegenwärtigen Wohltaten waren mir für meine zukünftigen Hoffnungen Bürge. Nicht minder entflammte von Tage zu Tag je mehr und mehr meine Begierde nach der Empfängnis der Heiligtümer. Mit den dringendsten Bitten lag ich zum öftern dem Hohenpriester an, mich in der Weih-Nacht Geheimnisse aufzunehmen. Allein dieser fromme, im Rufe der lautersten Gottesfurcht stehende Mann wußte immer mit ebensoviel Freundlichkeit und Milde, als nur ein liebreicher Vater bei Bezähmung des jugendlichen Ungestüms seines Sohnes anwenden kann, die Ungeduld meiner Seele durch süße Hoffnung hinzuhalten. Die Göttin, sagte er, bestimme durch unmittelbare Eingebung allemal zuvor sowohl den Tag der Weihe als auch den Priester, welcher dieselbe zu verrichten, und den zur Feierlichkeit erforderlichen Aufwand. Ob diese Weissagung auch verziehe, so müsse ich ihrer dennoch mit geziemender Geduld harren. Zudringlichkeit sei ebenso gefährlich als Widerspenstigkeit. Ich versündige mich nicht minder an der Göttin, wenn ich ihrem Rufe voreilig zuvor-, denn saumselig nachkäme. Niemand aus seinem Orden besitze auch eine so ruchlose Frechheit, das Geschäft der Einweihung zu übernehmen, ohne gleichfalls seinerseits ausdrücklichen Befehl der Göttin dazu erhalten zu haben: Das hieße, sich des Todes schuldig machen. In den Händen der Isis läge überhaupt das Leben eines jeglichen Menschen, lägen die Schlüssel zum Reiche der Schatten; in ihren Mysterien würde Hingebung in einen freiwillig gewählten Tod und Wiedererlangung des Lebens durch die Gnade der Göttin gefeiert und vorgestellt. Auch pflege die Göttin nur solche zu erkiesen, die nach vollbrachter Lebenszeit am Rande des Grabes sich befänden, weil denen der Religion große Geheimnisse am sichersten könnten anvertraut werden. Durch ihre Allmacht würden dieselben dann gleichsam wiedergeboren und zu einem neuen Leben zurückgeführt. Wäre ich nun gleich aus besonderer, sichtbarer Gunst der großen Göttin vorlängst schon zu ihrem seligen Dienste auserkoren und berufen, so müsse ich demungeachtet mich jener himmlischen Verordnung unterwerfen, mich gerade wie ihre anderen Diener aller unheiligen und verbotenen Nahrungsmittel von nun an zu enthalten. Ich würde dadurch um desto fähiger, zu den verborgensten Geheimnissen der allerreinsten Religion zugelassen zu werden.
    Also der Hohepriester.
    Ich schickte mich denn in Geduld und befliß mich mit stiller Gelassenheit und anständigem Stillschweigen tagtäglich des Gottesdienstes auf das allereifrigste.
    Aus Huld täuschte mich die mächtige Göttin nicht, noch ließ sie mich lange nach meinem Heile schmachten. Im Dunkel der Nacht offenbarte sie mir durch nichts weniger als dunkle Worte: Er sei gekommen, der Tag, der mir ewig wünschenswerte Tag, an dem ich des allerhöchsten Glückes sollte teilhaftig werden! Zugleich bestimmte sie den Aufwand, den ich bei der Einweihung zu machen, und ernannte gar ihren Hohenpriester Mithras selbst zu meinem Mystagogen (Einführer in die heiligen Geheimnisse); weil er, wie sie sagte, durch eine gewisse Übereinkunft der Gestirne mit mir verwandt sei.
    Kaum graute der Tag, so sprang ich schon vor Freuden über die gnadenreichen Befehle der hohen Göttin aus dem Schlafe auf und lief zur Wohnung des Hohenpriesters hin. Er trat eben aus seiner Zelle. Indem ich ihn begrüßen und nun aufs dringendste die Aufnahme als eine heilige Pflicht, von ihm heischen wollte, so ward er mich gewahr und kam mir durch folgende Anrede zuvor:
    »Heil Dir, o Lucius, den die hehre Isis eines so auszeichnenden Wohlwollens würdigt! Und Du säumst noch? verweilst Dich selbst? Er ist ja nun da, der Tag, der von Dir so sehnlich erwünschte Tag, an dem, auf der vielnamigen Göttin Geheiß, Du von mir selbst in ihrer Religion heilige Geheimnisse sollst eingeweiht werden!«
    Somit reichte mir freundlich der Alte seine Rechte und führte mich stracks zur Pforte des
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