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Harper Connelly 04 - Grabeshauch

Harper Connelly 04 - Grabeshauch

Titel: Harper Connelly 04 - Grabeshauch
Autoren: Charlaine Harris
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    »Also dann«, sagte die strohblonde Frau in der Jeansjacke. »Legen Sie los.« Bei ihrem breiten Akzent hörte sich das jedoch
     eher an wie »Legnselos«. Ihr habichtartiges Gesicht war erwartungsvoll gespannt, so als stünde sie kurz davor, eine unbekannte
     Speise zu probieren.
    Wir befanden uns auf einem windgepeitschten Gelände, mehrere Meilen südlich der zwischen Texarkana und Dallas verlaufenden
     Interstate. Auf der schmalen zweispurigen Straße, auf der wir hergekommen waren, brauste ein Wagen vorbei – der einzige, den
     ich gesehen hatte, seit ich Lizzie Joyces schwarz glänzendem Chevy Kodiak zum Pioneer Rest Cemetery gefolgt war, einem Friedhof
     außerhalb des kleinen Städtchens Clear Creek.
    Als unsere kleine Truppe verstummte, war das Pfeifen des Windes, der über die sanft geschwungenen Hügel strich, das einzige
     noch hörbare Geräusch.
    Der kleine Friedhof war nicht umzäunt. Er war aufgegeben worden, allerdings schon vor längerer Zeit. Es handelte sich um einen
     alten Friedhof – insoweit ein Friedhof in Texas überhaupt alt sein kann   –, der angelegt wurde, als die Eiche in seiner Mitte noch ein kleines Bäumchen gewesen war. Vögel zwitscherten in ihren Ästen.
     Da wir uns im Norden von Texas befanden, wuchs hier Gras, aber im Februar war es noch nicht grün. Obwohl es etwa zehn Grad
     warm war, pfiff der Wind kälter als erwartet. Ich zog den Reißverschluss meinerJacke bis ganz nach oben zu und staunte nicht schlecht, dass Lizzie Joyce gar keine trug.
    Die Menschen, die hier lebten, waren zäh und pragmatisch. Zu ihnen zählte auch die etwa dreißigjährige Blondine, die mich
     eingeladen hatte. Sie war schlank und durchtrainiert und hatte ihre Jeans hochgekrempelt – wahrscheinlich, um sich den Stiefelschaft
     einzufetten. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie sie ein Pferd bestieg. Aber ihre Stiefel hatten Patina, dasselbe galt für
     ihren Hut. Und wenn ich die Gravur auf ihrer Gürtelschnalle richtig entzifferte, war sie der letztjährige Bezirks-Champion
     im Tonnenrennen. Lizzie Joyce war echt.
    Sie hatte außerdem mehr Geld auf der Bank, als ich jemals haben würde. Die Diamanten an ihrer Hand funkelten im grellen Sonnenlicht,
     als sie auf die den Toten geweihte Erde zeigte. Ms Joyce wollte, dass ich endlich mit meiner Vorstellung begann.
    Ich bereitete mich aufs »Loslegn« vor. Da Lizzie eine Menge Geld dafür blechte, wollte sie so viel wie möglich davon haben.
     Sie hatte ihre kleine Entourage eingeladen, die aus ihrem Freund, ihrer jüngeren Schwester und ihrem Bruder bestand. Letzterer
     sah aus, als wäre er überall lieber als auf dem Pioneer Rest Cemetery.
    Mein Bruder hatte sich an unseren Wagen gelehnt und rührte sich nicht von der Stelle. Bis ich meinen Job erledigt hatte, würde
     Tolliver mich nicht aus den Augen lassen.
    Ich betrachtete ihn nach wie vor als meinen Bruder, obwohl ich mich bemühte, ihn in der Öffentlichkeit nicht mehr so zu nennen.
     Inzwischen führten wir eine ganz andere Beziehung.
    Wir waren den Joyces an jenem Vormittag zum ersten Mal begegnet. Wir hatten den langen, gewundenen Feldweg genommen, der zwischen
     weitläufigen, eingezäunten Feldernhindurchführte, und waren Lizzies ausgezeichneter Wegbeschreibung gefolgt, die sie uns gemailt hatte.
    Das Haus am Ende des Weges war sehr groß und sehr schön, aber nicht protzig. Es war ein Haus, in dem hart arbeitende Menschen
     lebten. Die Latina, die uns aufmachte, trug eine hübsche Hose und eine Bluse statt irgendeiner Uniform. Und sie nannte ihre
     Chefin »Lizzie« und nicht »Ms Joyce«. Da es auf einer Farm keine Sonntage gibt, wunderte ich mich nicht weiter, dass das große
     Haus wie ausgestorben wirkte. Die wenigen Menschen, die ich entdecken konnte, hielten sich in weiter Entfernung von der Farm
     auf. Während uns die Haushälterin hineinbat, sah ich einen Jeep kommen, und zwar auf dem Weg, der zur Rückseite des Hauses
     führte.
    Lizzie Joyce und ihre Schwester Kate hatten in der Waffenkammer gewartet. Bestimmt bezeichneten sie diesen Raum als Wohnzimmer
     oder so etwas, denn hier traf man sich, um fernzusehen, Brettspiele zu spielen oder zu tun, was reiche Leute sonst so mit
     ihrer Freizeit anfangen, wenn sie am Arsch der Welt leben. Aber für mich war es eine Waffenkammer: Gewehre und Tierköpfe,
     wohin man sah. Die Einrichtung war im Stil einer rustikalen Jagdhütte gehalten. Da das Haus vom Großvater der Joyces errichtet
     worden war, spiegelte es bestimmt
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