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Harper Connelly 04 - Grabeshauch

Harper Connelly 04 - Grabeshauch

Titel: Harper Connelly 04 - Grabeshauch
Autoren: Charlaine Harris
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kümmern. Wir sind zu oft unterwegs.
     Iona und Hank sind verantwortungsbewusste Menschen, sie trinken keinen Alkohol und konsumieren keine Drogen. Sie nehmen die
     Mädchen mit in die Kirche und achten darauf, dass sie zur Schule gehen.«
    »Das ist doch nicht dein Ernst?«, sagte ich, obwohl Tolliver nie scherzte, wenn es um Familienangelegenheiten ging. Ich war
     wie vor den Kopf geschlagen. »Du weißt, dass ich nie vorhatte, die Mädchen da wegzuholen, selbst wenn das rechtlich möglich
     wäre. Meinst du wirklich, wir sollten unsere Besuche auf ein Minimum beschränken? Und sie noch seltener sehen?«
    »Ja«, sagte er.
    »Erklär mir das bitte.«
    »Wenn wir kommen – nun, dann kommen wir in sehr unregelmäßigen Abständen und bleiben nur kurz. Wir reißen sie aus ihrem gewohnten
     Leben, versuchen ihnen Dinge zu zeigen, die ihnen fremd sind. Wir versuchen, sie für Sachen zu interessieren, die nicht Teil
     ihres Alltags sind. Und dann verschwinden wir wieder und überlassen es ihren ›Eltern‹, mit den Folgen fertig zu werden.«
    »Mit den Folgen fertig zu werden? Mit was für Folgen, bitteschön? Wir sind doch keine Monster oder so was!« Ich musste mich
     schwer beherrschen, um nicht wütend zu werden.
    »Beim letzten Mal – du weißt schon, als du mit den Mädchen ins Kino gegangen bist   –, hat mir Iona erzählt, dass Hank und sie für gewöhnlich eine Woche brauchen, bis die Mädchen wieder normal sind.«
    »Aber   …« Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Ich schüttelte den Kopf, als könnte ich so meine Gedanken ordnen. »Sollen wir
     uns vielleicht ausschließlich nach Iona richten? Du bist der Bruder und ich die Schwester der Mädchen. Wir lieben sie. Sie
     müssen wissen, dass es in ihrer Familie auch andere Menschen als Iona und Hank gibt.« Ich wurde laut.
    Tolliver setzte sich auf den Badewannenrand. »Harper, Iona und Hank ziehen sie groß. Sie hätten sie nicht bei sich aufnehmen
     müssen. Der Staat hätte sich um sie gekümmert, wenn sich Iona und Hank nicht angeboten hätten. Ich wette, das Gericht hätte
     Mariella und Gracie eher ins Heim gesteckt, als sie uns zu geben. Wir können froh sein, dass Iona und Hank den Versuch gewagt
     haben. Sie sind älter als die meisten mit Kindern in diesem Alter. Sie sind streng, weil sie Angst haben, dass die Mädchen
     so werden wie deine Momoder mein Vater. Aber sie haben die Mädchen adoptiert. Sie sind ihre Eltern.«
    Ich öffnete den Mund und schloss ihn gleich wieder. Es brach förmlich aus Tolliver heraus, und ich hörte Dinge, die ich noch
     nie zuvor gehört hatte.
    »Natürlich sind sie engstirnig«, fuhr er fort. »Aber sie müssen Tag für Tag mit Gracie und Mariella zurechtkommen. Sie gehen
     zu den Lehrersprechstunden, sie gehen zum Direktor, sie sorgen dafür, dass die Mädchen ihre Spritzen bekommen, und sie bringen
     sie zum Arzt, wenn sie krank sind. Sie bestimmen, wann ins Bett gegangen und wann gelernt wird. Sie kaufen ihre Kleider. Sie
     zahlen für die Zahnspangen.« Er zuckte die Achseln. »Und so weiter. Wir könnten das gar nicht.«
    »Was sollen wir dann deiner Meinung nach tun?« Ich verließ das Bad und setzte mich auf die Kante des ungemachten Bettes. Er
     kam mir nach und setzte sich neben mich. Ich legte meine Hände auf die Knie. Ich bemühte mich, nicht zu weinen. »Du willst
     also, dass wir unsere Schwestern im Stich lassen? Die einzige Familie, die wir noch haben?« Meinen oder Tollivers Vater zählte
     ich nicht mit, weil sie für mich einfach nicht dazugehörten.
    Tolliver ging vor mir in die Hocke. »Vielleicht sollten wir sie an Thanksgiving und Weihnachten oder an Ostern beziehungsweise
     an ihren Geburtstagen besuchen   … Dann, wenn man uns erwartet und wir uns rechtzeitig angekündigt haben. Maximal zweimal im Jahr. Ich finde, wir sollten mehr
     aufpassen, was wir in Gegenwart der Mädchen sagen. Gracie hat Iona erzählt, sie wäre deiner Meinung nach zu rigide. Nur leider
     hat Gracie ›frigide‹ gesagt.«
    Ich versuchte, nicht zu grinsen, konnte aber nicht anders. »Na gut, in diesem Punkt hast du recht. Es ist nicht sehr nett,
     über diejenigen zu lästern, die sich um die Mädchen kümmern. Dabei dachte ich, ich passe auf.«
    »Du hast dich bemüht«, sagte er schmunzelnd. »Es ist eher dein Gesichtsausdruck, der eine andere Sprache spricht   …«
    »Gut, ich verstehe, was du meinst. Aber ich dachte, wir könnten ihnen näherkommen, wenn wir hierher ziehen. Und ein paar Mauern
    
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