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Harper Connelly 04 - Grabeshauch

Harper Connelly 04 - Grabeshauch

Titel: Harper Connelly 04 - Grabeshauch
Autoren: Charlaine Harris
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Engineering käme, würde einen gehörigen Schrecken bekommen. Vorausgesetzt, die
     Angehörigen des Kerls schickten nicht die Polizei zu seiner Firma, wenn er nicht nach Hause kam.
    Es kam mir brutal vor, ihn einfach so liegen zu lassen. Andererseits hatte ich keine Lust, der Polizei mühsam etwas erklären
     zu müssen.
    Beim Auf-der-Stelle-Laufen wurde mir kalt. Ich musste mich entscheiden.
    Obwohl ich mir nicht jeden Tod zu Herzen nehmen kann, mit dem ich es zu tun habe, möchte ich auch nicht unmenschlich sein.
    Ich sah mich um und suchte nach einer Eingebung. Ich fand sie in den Steinen, die das fantasielose Blumenbeet am Eingang einfassten.
     Ich zog den größten Stein heraus, den ich gerade noch heben konnte. Nach einigen Versuchen beschloss ich, ihn einhändig zu
     werfen. Ich sah die Straße hinauf und hinunter. Es waren weder Autos noch Fußgänger in Sicht. In sicherer Entfernung suchte
     ich einen festen Stand und warf den Stein. Ich musste ihn zweimal aufheben und das Ganze wiederholen, bevor das Glas barst
     und die Alarmanlage losging. Ich rannte davon und musste der Polizei Respekt zollen: Kaum hatte ich den Motel-Parkplatz erreicht,
     verließ auch schon ein Streifenwagen den Autobahnzubringer, raste am Motel vorbei und nahm Kurs auf das Gewerbegebiet.
    Eine Stunde später schminkte ich mich gerade vor dem Spiegel. Ich hatte ausgiebig geduscht, und natürlich war Tolliver noch
     mal zu mir in die Kabine gehüpft, um mir »beim Haarewaschen« zu helfen.
    Ich beugte mich über das Waschbecken, um in den Spiegel zu starren und meinen Eyeliner aufzutragen. Obwohl ich erstvierundzwanzig war, musste ich inzwischen näher an den Spiegel heran. Bei der nächsten Augenuntersuchung würde mir mein Arzt
     bestimmt sagen, dass ich eine Brille brauchte. Ich bin nie eitel gewesen, doch die Vorstellung, eine Brille zu tragen, gab
     mir einen Stich. Vielleicht Kontaktlinsen? Aber bei dem Gedanken, mir was ins Auge zu tun, bekam ich Gänsehaut.
    Immer wenn ich darüber nachdachte, fürchtete ich mich vor den Kosten für die Sehhilfe. Wir sparten jeden Cent für das Haus,
     das wir hier unweit von Dallas kaufen wollten. St. Louis war zwar beruflich geschickter, weil zentraler gelegen, aber wenn
     wir in Dallas wohnten, könnten wir unsere Schwestern öfter sehen. Iona und Hank wären wahrscheinlich wenig begeistert. Wer
     weiß, welche Hindernisse sie uns noch in den Weg legen würden. Sie hatten die Mädchen offiziell adoptiert. Aber vielleicht
     konnten wir sie davon überzeugen, dass es den Mädchen guttun würde, uns zu sehen. So wie es auch uns guttat, sie zu sehen.
    Tolliver kam ins Bad und blieb kurz stehen, um mich auf die Schulter zu küssen. Ich lächelte, als sich unsere Blicke im Spiegel
     trafen.
    »Unten auf der Straße ist Polizei zu sehen«, sagte er. »Hast du irgendeine Erklärung dafür?«
    »Allerdings!«, sagte ich mit einem schlechten Gewissen. Ich hatte keine Gelegenheit gehabt, Tolliver alles zu erläutern, bevor
     ich unter die Dusche ging, und dann hatte er mich abgelenkt. Jetzt erzählte ich Tolliver die Sache mit dem Toten, dem Stein
     und dem Fenster.
    »Die Cops dürften ihn mittlerweile gefunden haben, du hast also das Richtige getan. Lieber wäre es mir allerdings gewesen,
     du hättest ihn ignoriert«, sagte Tolliver.
    Ich hatte nichts anderes erwartet. Er ließ sich nur ungern in Situationen verwickeln, bei denen unser Eingreifen nicht bezahltwurde. Da ich ihn im Spiegel beobachtete, fiel mir auf, wie sich seine Körpersprache abrupt änderte. Anscheinend wollte er
     das Thema wechseln und etwas Wichtiges mit mir besprechen.
    »Meinst du nicht auch, wir sollten einfach loslassen?«, fragte Tolliver.
    »Loslassen?« Ich schminkte mein rechtes Auge fertig und hielt das Mascara-Bürstchen an die Wimpern meines linken Auges. »Was
     meinst du damit?«
    »Mariella und Gracie.«
    Ich drehte mich um und sah ihn an. »Ich verstehe nicht«, sagte ich, verstand ihn aber leider nur zu gut.
    »Vielleicht sollten wir sie nur einmal im Jahr besuchen. Und ihnen ansonsten einfach nur Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke
     schicken.«
    Ich war entsetzt. »Warum sollten wir das tun?« Sparten wir nicht deshalb jeden Cent, um ein fester Bestandteil ihres Lebens
     zu werden?
    »Wir bringen sie völlig durcheinander.« Tolliver kam näher und legte seine Hand auf meine Schulter. »Die Mädchen mögen ihre
     Probleme haben, aber bei Iona geht es ihnen besser als bei uns. Wir können uns nicht um sie
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