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Horror Factory 02 - Crazy Wolf: Die Bestie in Mir

Horror Factory 02 - Crazy Wolf: Die Bestie in Mir

Titel: Horror Factory 02 - Crazy Wolf: Die Bestie in Mir
Autoren: Christian Endres
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1
    Das Erste, was ich spüre, ist die Kälte.
    Im Metall.
    In der Luft.
    In meinen Knochen.
    Der ganze Stahl um mich herum strahlt sie förmlich aus.
    Die Gitterstäbe.
    Die Decke.
    Die Bodenplatte unter meiner nackten Haut.
    Ich fühl mich hundeelend.
    Dass darin eine gewisse Ironie liegt, entzieht sich mir in diesem Stadium noch.
    Schlotternd begleite ich meinen Geist bei seinem langsamen Auftauchen aus der Finsternis.
    Am Rand der Schwärze lauert nur noch mehr Kälte.
    Mehr Kälte, und natürlich noch mehr Schmerzen.
    Allerdings bedeutet das auch, dass ich meinen Körper wieder bewusst wahrnehme.
    Obwohl es mir gerade lieber wäre, ich tät’s nicht.
    Da ertönt in der Nähe ein Winseln, und endlich zwinge ich mich, die Augen zu öffnen.
    Durch die Gitterstäbe, die leicht verschwommen vor mir tanzen, sehe ich eine mittelgroße Promenadenmischung mit Schlappohren, halb Setter, halb Gosse.
    Wedelt zögerlich mit dem Schwanz, kommt jedoch nicht näher.
    Ich verstärke meine Bemühungen, mich aus der Embryostellung zu befreien, und sofort beißen die Schmerzen wieder mit eiskalter Gnadenlosigkeit zu.
    Doch sie helfen mir auch, mich zu erinnern.
    Manche Dinge haben eben schon immer ihren Preis gehabt.
    Wissen.
    Erinnerung.
    Identität.
    Indem ich die Schmerzen als Währung akzeptiere, erhalte ich Bruchteile all dieser Dinge.
    Meiner Menschlichkeit.
    Meines Lebens.
    Der Hund zum Beispiel: Ich beiße die klappernden Zähne zusammen, ertrage die Schmerzen und starre ihn an, bis mir sein Name einfällt.
    Marlowe. So heißt er, der Hund.
    Und er ist mein bester Freund, wie ich nun wieder weiß.
    Ich will seinen Namen sagen, doch alles, was bei dem Versuch rauskommt, ist ein raues Krächzen, das uns beide zu Tode erschreckt.
    Kein Wunder, dass der Hund bis zur geschlossenen Zimmertür zurückweicht und mich misstrauisch beobachtet.
    Es ist offensichtlich, dass er hin- und hergerissen ist.
    Dass ich für ihn ein mindestens genauso großes Dilemma bin wie für mich selbst.
    Marlowe …
    Ich klammere mich an den Namen und den Anblick meines verwirrten vierbeinigen Kumpels, und es hilft mir dabei, meinen Geist endgültig aus der gefrorenen Schwärze zu ziehen.
    Die Dunkelheit geht.
    Kälte und Schmerzen bleiben.
    Und die Erinnerungen werden mit jedem Herzschlag stärker.
    Konkreter.
    Ich konzentriere mich ganz auf die Frage, wieso ich nackt in einem Stahlkäfig in einem fensterlosen Raum liege.
    Wieso der Hund hier ist. Marlowe!
    Es dauert ein bisschen und geht wieder nicht ohne das kalte Stechen in meinen Gliedern, aber dann fällt es mir ein.
    In den schlimmsten Nächten meines Lebens bewacht Marlowe mein Gefängnis, bis ich am nächsten Morgen voller Schmerzen aufwache und das Puzzle einmal mehr zusammensetze.
    Die ganze Zeit dachte ich allerdings, dass die Schmerzen, die Teil des Puzzles sind, nicht mehr schlimmer werden könnten.
    Hätte es eigentlich besser wissen müssen.
    Plötzlich fühlt es sich an, als würde mir jemand in den Brustkorb greifen und alle Knochen samt Eingeweiden nach draußen zerren.
    Ich krümme mich in dem kleinen, kalten Käfig.
    Stoße einen unmenschlichen Schmerzenslaut aus.
    Marlowe bellt erschrocken.
    »Na, mach schon, Kid«, ertönt außerdem Dead Crows rauchige Stimme aus dem Off.
    Nicht, dass es mir was bringt, mich ausgerechnet jetzt Halluzinationen an meinen Freund und Mentor hinzugeben.
    Dann ist es ebenso schnell vorbei, wie es angefangen hat.
    Die Schmerzen sind fort, ebenso die Verwirrung.
    Nur Erschöpfung und Kälte bleiben.
    Und das Wissen.
    Jede quälende Erinnerung.
    Jede schmerzhafte Einzelheit.
    Jedes hässliche Detail.
    Mein Name ist Jackson Ellis, das hier ist der Keller eines Mietshauses in Seattle, und letzte Nacht war Vollmond.
    Warum ich in diesem Käfig sitze?
    Sagen wir’s mal so:
    Bei Vollmond hab ich ein haariges Problem.
*
    Es hat an meinem zwölften Geburtstag angefangen.
    Tolle Party, jedenfalls für eine Bande aufgekratzter Zwölfjähriger, die noch kein einziges Mal Flaschendrehen gespielt und noch keine Fluppe angerührt hat.
    Von Möpsen und Muschis ganz zu schweigen.
    Danke für die Party, Mom.
    Schade nur, dass du dir eine Kugel verpasst hast, bevor ich dir sagen konnte, wie cool das war oder dass ich dich lieb hab.
    Schätze, die Schlafsäcke im Wohnzimmer, in das der Vollmond reinscheinen konnte, waren eine blöde Idee.
    Das Mondlicht hat nicht gerade das Beste in mir hervorgebracht, wenn ihr versteht.
    Ich weiß noch, wie ich am Morgen danach aufgewacht
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