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Der Gluecksmacher

Der Gluecksmacher

Titel: Der Gluecksmacher
Autoren: Thomas Sautner
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machen wir jetzt?« Ihre Lippen zitterten.
    »Du könntest«, Rainer stockte, »du könntest ihn anrufen und ihm ganz einfach seinen alten Job anbieten.«
    Großburgs Augen warfen Feuer. »Ich werde nicht buckeln vor meinem«, sie rang nach Luft, »meinem Hausboten!« Sie spuckte das Wort geradezu aus. »Oder erwartest du das von mir?«
    »Nein, Irene. Nein, natürlich nicht. Aber ich denke, wir sollten ihm ganz einfach wieder seinen Job geben, vielleicht gibt er dann Ruhe.«
    »Dieses undankbare kleine Arschloch!« Irene Großburg hatte Tränen in den Augen. »Dreißig Jahre beschäftigen wir ihn bei uns, dreißig Jahre zahlen wir ihm Monat für Monat seinen Lohn, und dann das!«
    »Du hast ja recht, Irene, er ist ein richtiges Charakterschwein, aber überleg doch einmal, was die Alternative ist.«
    »Ich werde nicht kuschen!« Sie erregte sich derart, dass Speicheltröpfchen aus ihrem Mund schossen. »Vor meinem … Hausboten!«
    Aber, dachte Rainer Torberg, vor dem Konzern-Chef vonPeng-Steel wirst du kuschen, musst du kuschen, sonst verlieren wir die Versicherung, verlieren wir alles.
    »Bevor ich vor meinem Hausboten kusche«, fauchte Irene Großburg noch heftiger, »bevor ich das tue, erschieß ich mich lieber.«
    »Aber er ist nicht mehr unser Hausbote, Irene. Er ist der Konzern-Chef von Peng-Steel.«
    »Ich rufe nicht meinen Hausboten an!« Großburg fuhr aus ihrem Sessel hoch. »Hast du das nun endlich verstanden, du Idiot!« Sie starrte Rainer mit einem zur Fratze entstellten Gesicht und so unnatürlich geweiteten Augen an, dass er erschrocken zurückwich. Er fühlte sich hilflos und gedemütigt. Sein Gesicht spannte sich, der Kiefer trat kantig hervor. Verächtlich blickte er Irene an, hob die zusammengerollte Abendausgabe empor, die er die ganze Zeit über in der Hand gehalten hatte, knallte sie so energisch auf Großburgs Besprechungstisch, dass sie zu Boden fiel, und stürmte aus dem Büro.
    Zwischen ihm und Irene donnerte die Tür ins Schloss.

    Wie trunken schwankte Irene der Automatik zu, die ihren gläsernen Kubus blickdicht schloss, drückte den Knopf, schrie gleich danach gellend auf, riss sich an den Haaren, bis der Schmerz groß genug war, um kurz zu vergessen. Sie warf sich zu Boden, wand sich. Ihr Kreischen ging in ein gutturales Heulen über, erbärmliche Laute eines geschundenen Tiers.
    Irenes Schultern zuckten. Das Gesicht vergrub sie in der rechten Armbeuge, die linke Hand hatte sie über ihren Kopf gelegt, wie behütend, wie einst ihr liebes Kindermädchen Anne.
    Minutenlang lag Irene so am Boden, zitternd, jammernd, schnappend nach Luft. Und bemerkte nicht, noch nicht, diedruckfrische Zeitung, die neben ihrem Körper lag. Es war die Hochglanzausgabe des wichtigsten Mediums.
    Der Glücksmacher
prangte als Titel in riesigen Lettern auf dem Cover, darunter ein großes, farbiges Porträt von Sebastian Dimsch. Er sah richtig gut aus.

15
    Dimsch war gleich nach Büroschluss zum Hauptbahnhof gefahren. Dort, hatte Harry Käfer ihm gesagt, würde er die Zeitung des nächsten Tages schon um achtzehn Uhr bekommen, als Abendausgabe. Er war zu früh da gewesen, der Verkäufer wartete selbst noch auf den Kleinlastwagen, der einen Stoß druckfrischer Exemplare bringen würde. Nervös ging Dimsch auf und ab.
    Beim dritten oder vierten Nachsehen, ob die Zeitungen denn nun endlich eingetroffen seien, bemerkte er, dass es peinlich war, was er da trieb, und schrecklich eitel. Dimsch blickte sich um, ob ihn auch niemand beobachtete dabei.
    Ein Wagen bremste, Männer sprangen heraus, hoben schwere Zeitungsstapel auf den Vorplatz. Schon aus der Distanz erkannte Dimsch sein Gesicht auf dem Cover. Als er dem indischen Verkäufer das Geld in die Hand zählte, versuchte er, es wie beiläufig zu tun. Der Mann hatte gewiss längst erkannt, dass er selbst der Prominente auf dem Cover war, der Verkäufer sollte nicht etwa annehmen, dass er sich etwas daraus machte.
    »Stimmt schon«, sagte Dimsch und lächelte höflich, wie es sich gehörte für ein Vorbild, das in der Öffentlichkeit stand. Doch der Verkäufer murmelte nur ein knappes »Danke« und nahm keinerlei Notiz von ihm.
    Dimsch schlug, nicht ohne zuvor ebenso ausgiebig wie geheimnistuerischsein Antlitz betrachtet zu haben, die Zeitung auf. Ein fett hervorgehobener Satz fiel ihm zuerst ins Auge, ein Aphorismus von Seneca, den er wohl während des Interviews rezitiert hatte:
Ehrgeiz, der vom Urteil anderer abhängt, ist freiwillige Knechtschaft.

    Am nächsten
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