Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gluecksmacher

Der Gluecksmacher

Titel: Der Gluecksmacher
Autoren: Thomas Sautner
Vom Netzwerk:
geplärrt, »da ist ein Zimmer, in dem schwimmen, dreimal darfst du raten, da schwimmen Fische. Nicht richtige, auf Pressholzplatten sind sie gemalt, sehen aber richtig echt aus. Hunderte sind es. Fische, Fische, Fische! Überall! Verrückter Schuppen, diese Versicherung!«

    Der Reporter griff an sein Ohrmikrofon, blickte gleich danach auf, suchte offenbar jemanden in der Menge, sah dannDimsch geradewegs an und nickte. »Ich habe ihn«, sagte er ins Mikro.
    »Herr Dimsch!« Der Reporter winkte ihn zu sich, »Herr Dimsch, kommen Sie doch bitte!«
    Zwei Minuten später hatte Dimsch ein Mikrofon an den Kragen seines Pullovers geclipt, der Kameramann sagte »Drei, zwei, eins«, und der Reporter schrie in die Kamera: »Was Sie hier hinter mir in Flammen stehen sehen«, er machte erneut eine Armbewegung, »ist bekanntlich die Versicherung des Glücksmachers. Ich habe ihn jetzt persönlich bei mir.« Die Kamera schwenkte kurz zu Dimsch – er wischte sich gerade Schweißtröpfchen ab – und wieder zurück zum Reporter. »Sebastian Dimsch«, rief der Reporter und nickte ihm dabei zu, »Sie sind bekannt als
Der Glücksmacher
. Was sagen Sie dazu, dass sich in diesem Moment hier hinter uns sämtliche Glückspolicen in Rauch auflösen?«

EPILOG
    »Papa, weißt du, was ein Einzeller ist?«
    Dimsch lachte. »Wo hat er denn das wieder her?«
    »Ist eine Figur in einem neuen Bilderbuch«, rief Sophie aus der Küche.
    »Ein Einzeller«, er strich seinem Kleinen übers Haar, »ist ein ganz, ganz kleines Lebewesen.«
    »Winzig-winzig-klein?«
    »Winzig-winzig-winzig-klein. Mit ihm hat auf der Erde das Leben begonnen. Weißt du, warum?«
    »Mhm.« Sein Sohn nickte.
    »Aha«, Dimsch lächelte überrascht, »na dann erzähl.«
    »Der Einzeller ist das ganz, ganz Allerkleinste von allen, allen Tieren, und die anderen, die ein bisschen größer sind, essen ihn auf. Und wenn die nichts zu essen hätten, würde es gar keine noch größeren Tiere geben und uns auch nicht, weil wir ja auch Hunger auf Tiere haben.«
    Dimsch hustete in die Faust.
    »So ist das, Papa.«
    »Ja, der Einzeller ist der Erste in der Reihe, und alle anderen profitieren von ihm.«
    »Ist der Einzeller ein bisschen arm?«
    »Nein«, sagte Dimsch. Mehr fiel ihm in der Eile nicht ein.
    »Oder ist der Einzeller der liebe Gott?«
    »Wieso der liebe Gott?«
    Sein Sohn kicherte, bohrte ihm den Zeigefinger in den Bauch. »Weil der Einzeller, weißt du, weil der als einziger nichts isst. Und weil alle anderen nicht leben würden ohne ihn. Darum ist er der liebe Gott.«
    Dimsch stutzte. »Steht das in deinem Bilderbuch?«
    »Nein.«
    »Und wieso weißt du das dann?«
    Sein Sohn hob und senkte seine Schultern. »Einfach so.«
    »Einfach so«, wiederholte Dimsch.

    Drei Wochen war es her, dass ein gewaltiger Brand die Secur AG in Schutt und Asche gelegt hatte. Die Ursache des Feuers war nach wie vor ungeklärt, entsprechend mannigfaltig waren die Gerüchte und Gedankenspielereien. Von Brandstiftung unzufriedener Kunden war ebenso die Rede wie von einer Kurzschlusshandlung Irene Großburgs. Wegen der drohenden Übernahme durch einen nordkoreanischen Stahl-Riesen habe die Chefin eigenhändig das Familienunternehmen abgefackelt. Anderen bizarren Gerüchten zufolge steckten gar alte Kader des nordkoreanischen Geheimdienstes hinter der Feuersbrunst. Und kurz wurde sogar der Glücksmacher persönlich, wurde Dimsch verdächtigt. Schließlich sei ausgerechnet jener Trakt der Versicherung vom Brand verschont geblieben, in dem die Handbüchlein zum Glück gelagert waren.
    Selbst Philosophen beschäftigte das Thema. Im Feuilleton einer Qualitätszeitung etwa erschien ein Essay, in dem eine Analogie zum biblischen Turm von Babel konstruiert wurde. So wie einst die Menschen den Allmächtigen mit ihrer Selbständigkeit herausforderten, indem sie einen Turm entwarfen, dessen Spitze bis an den Himmel reichen sollte, sei esdiesmal die Anmaßung gewesen, den Menschen Glück zu versichern. Ehemals geriet auf Geheiß des Himmels der Turm zu Babel zur Ruine, diesmal sei die Secur AG bis auf die Grundmauern erschüttert worden.
    Sollte wahrhaftig Gott interveniert haben, meinte ein Sachverständiger der Feuerwehr, müsse er auf vier Pfoten gekommen sein, und zwar in Form einer Maus. Die wahrscheinlichste Brandursache nämlich seien durchgenagte Kabel. Doch wie gesagt, es sei lediglich eine Vermutung, ähnlich ungewiss wie jene, dass der Brand im verwaisten und damit unbeaufsichtigten Postzimmer des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher