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Der Glaspavillon

Titel: Der Glaspavillon
Autoren: Nicci French
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kommt denn eigentlich?«
    »Alle natürlich. Sämtliche Martellos. Und die Cranes auch, koste es, was es wolle. Dad und mein Bruder samt Familie sind noch nicht hier, aber mit ihnen sind wir vierundzwanzig. Das Königshaus mag untergehen, und möglicherweise ist uns die Bedeutung des Christfests abhanden gekommen – aber die jährliche gemeinsame Pilzsuche der Martellos findet trotzdem statt.«
    Theo zog die Brauen hoch. Beim Lächeln bildeten sich um seine Augen und um seinen Mund kleine Fältchen.
    »Wie immer die alte Spötterin!«
    »Ach, ich glaube, ich bin einfach nervös. Mein Gott, Theo, erinnerst du dich an die Fähre, die vor Jahren gesunken ist? Ein Rettungsboot wurde zu Hilfe geschickt, aber die Frauen und Kinder konnten nicht hinüberklettern.

    Da hat sich ein Mann zwischen die beiden Schiffe gelegt, und sie sind über ihn hinweggestiegen.«
    Theo lachte. »Und du warst die erschöpfte menschliche Brücke, stimmt’s?«
    »Manchmal habe ich mich so gefühlt. Oder besser, wir, Claud und ich, haben uns so gefühlt. Das schwache Verbindungsglied zwischen den Martellos und den Cranes.«
    Theos Gesicht verhärtete sich. »Du überschätzt dich, Jane. Wir gehören alle zusammen. Wir sind doch eine Familie. Und wenn es eine besondere Verbindung gibt, dann ist es die Freundschaft zwischen unseren Vätern, die schon lange vor uns existierte. Das sollten wir nicht vergessen.« Er lächelte wieder. »Du warst höchstens ein zweitrangiges Bindeglied. So was wie eine sekundäre Nut.«
    Ich mußte kichern. »Höre ich da einen technischen Fachausdruck? Was, zum Teufel, ist eine sekundäre Nut?«
    »Schon gut, vergiß es – du bist die Expertin. Ich habe nie mit Holz gearbeitet. Und ich freue mich, daß du gekommen bist, auch wenn es für dich ein Spießrutenlaufen war.«
    »Ich mußte das hier beaufsichtigen, oder etwa nicht?
    Jetzt fürchte ich, daß ich über meinen Zeichnungen in Tränen ausbrechen und sie verschmieren werde.«
    Wir traten durch die Flügeltüren in die Küche und nahmen uns jeder einen Becher Kaffee. Als wir wieder hinausgingen, hörten wir aus dem oberen Stockwerk Geräusche, Tassengeklapper und rauschende Klospü-
    lungen.
    »Mach die Tür hinter dir zu, verdammt noch mal. Es ist kalt«, schrie jemand von drinnen.

    »Reg dich nicht auf, ich bin gerade auf dem Weg nach draußen.« Es war Jonah, Theos Bruder.
    »Hallo, Fred«, begrüßte ihn Theo.
    Jonah nickte über den abgedroschenen Martello-Witz. Er und Alfred waren Zwillingsbrüder, die einander zumindest als Kinder und Jugendliche zum Verwechseln ähnlich gesehen hatten. Theo hatte mir einmal verraten, die beiden hätten tatsächlich ohne Wissen der betreffenden jungen Damen mit der Freundin des jeweils anderen geschlafen.
    »Man kann uns Zwillinge an der Nase unterscheiden, Theo«, belehrte ihn Jonah. »Fred ist der mit der roten Nase und ohne Sonnenbräune.«
    »Ach ja, darauf wollte ich dich gerade ansprechen, Jonah. Woher stammt die Bräune diesmal?«
    »Tucson, Arizona. Ein Kosmetikkongreß.«
    »Gut?«
    »Ein paar interessante Möglichkeiten lagen in der Luft.«
    Jonah bemerkte Theos Lächeln. »Jetzt, da jeder so gesunde Zähne hat, müssen wir uns was Neues einfallen lassen.«
    Theo beugte sich vor und sog den Dampf ein, der aus Jonahs Becher aufstieg.
    »Anscheinend gehört dazu auch die Zahnpasta in Form eines heißen Getränks«, sagte er.
    »Pfefferminztee«, antwortete Jonah. »Ich möchte den Tag nicht mit einem unnatürlichen Stimulans beginnen.«
    Damit drehte er sich zu mir um, und seine tugendhafte Miene wich einem traurigen Lächeln. Mein Gott, würden mich an diesem Wochenende alle so anlächeln?
    »Jane, Jane«, sagte er und umarmte mich mit einer Herzlichkeit, die nur dadurch beeinträchtigt wurde, daß er sich gleichzeitig bemühte, den Becher mit Kräutertee in einer Hand zu balancieren. »Wenn ich dir irgendwie helfen kann, laß es mich wissen.« Dann deutete er hinunter auf die Aktivität im Gras. »Toll, was du da für unsere Familie tust. Wenn es doch nur schon fertig wäre, dann müßten Meredith und ich nicht noch eine Nacht mit den Kindern in einem Zimmer verbringen. Sie haben höchstens drei Minuten am Stück geschlafen. Und Fred samt den Mitgliedern seiner Familie, die nicht im Internat sind, schliefen nebenan. Soweit ich informiert bin, sind die einzigen Paare, die ein Zimmer für sich haben, Alan und Martha und außerdem dein Sohn und seine Mieze.«
    Letzteres war eindeutig ein Seitenhieb.
    »Alan
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