Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Glaspavillon

Titel: Der Glaspavillon
Autoren: Nicci French
Vom Netzwerk:
lassen. Man durfte einfach nicht zuviel nachdenken.
    Ich begann, die Pilze zu zerkleinern. In den Töpfen siedete das Wasser. Es beruhigte mich, Dinge koordi-nieren zu können. Ich öffnete die Backofentür und stach mit einer Gabel in die roten Paprikaschoten, deren Haut Blasen warf.
    »Jane? Claud hat mich gebeten, dir diese hier zu bringen.«
    Mein Vater streckte mir drei pralle Knoblauchzehen entgegen. Bereits im Hinausgehen – vermutlich wollte er rasch zurück zu seinem Kreuzworträtsel neben dem Kaminfeuer –, fügte er plötzlich hinzu: »Es wird schon alles wieder in Ordnung kommen, meinst du nicht auch?«
    Seine Augen waren verquollen, als hätte er geweint. Ich tätschelte seinen Rücken.
    »Bestimmt«, sagte ich mechanisch.
    Ich schälte sechs Knoblauchzehen und zerdrückte sie in einer großen Pfanne auf dem Herd. Peggy stand über das Spülbecken gebeugt und putzte die restlichen Pilze. Dabei summte sie leise vor sich hin. Plötzlich sagte sie: »Es tut mir wirklich leid, es muß schrecklich für dich gewesen sein, als du es … sie … gefunden hast.«
    »Ja«, bestätigte ich, »aber nicht schlimmer als für die anderen.«
    Ich mochte nicht reden. Ich behielt meine Gefühle für mich und wollte sie nicht hier ausbreiten, während ich das Abendessen kochte. Nicht vor Peggy. Doch sie war nicht zu bremsen.
    »Ihr wart alle sehr tapfer. Es ist komisch, aber zum erstenmal habe ich mich von der Familie ausgeschlossen gefühlt. Ihr wißt, wie ihr miteinander umgehen müßt.«
    Ich wandte mich zu ihr um und nahm ihre Hand.
    »Peggy«, sagte ich matt, »das stimmt nicht, das weißt du genau. Wir alle gehören zu dieser Familie, die bei Alan und Martha beginnt und nirgendwo endet.«
    »Ich weiß. Vielleicht liegt es daran, daß ich Natalie nicht gekannt habe.«
    »Es liegt lange zurück.«
    »Ja«, sagte Peggy, »die sagenhafte und idyllische Kindheit in der Familie Martello. Da seid ihr euch alle einig, nicht wahr? Das erinnert mich immer …« Sie brach ab, weil sie etwas vor dem Fenster bemerkte. »Sieh dir das an! Ich bringe sie um! Weshalb kann Paul ihnen nicht die Leviten lesen? Angeblich ist er doch der Vater!«
    Und schon stürmte sie aus der Küche. Durchs Fenster sah ich, daß ihre Töchter wie Verschwörer hinter einem Busch beisammenstanden und rauchten. Sie hielten sich offenbar für unsichtbar. Noch immer ohne Schuhe pirschte Peggy sich lautlos an sie heran. Jerry und Robert hatten früher in ihrem Zimmer bei weit geöffnetem Fenster geraucht und waren anschließend nach Zahnpasta riechend nach unten gekommen. Ich hatte nie ein Wort darüber verloren. Auch ich hatte damals heimlich geraucht.
    Spätabends im Garten, wenn ich keinen Schlaf finden konnte, weil ich über mein Leben nachsann. Später rauchten Jerry und Robert auch in meiner Gegenwart und boten mir sogar Zigaretten an, obwohl ich das Rauchen zu jener Zeit bereits aufgegeben hatte. Heute hätte ich allerdings alles für einen tiefen Zug gegeben.
    Ich verrührte den blaßgelben Knoblauch in der Pfanne.
    Endlich allein. Endlich eine kurze Verschnaufpause, um nachzudenken und mich auf den bevorstehenden Abend vorzubereiten.
    »Wie steht’s, Mum? Böse, daß du die ganze Kocherei allein machen mußt?«
    Robert beugte sich zu mir herunter. Mein großer, hübscher Sohn. Sein glattes, blondgefärbtes Haar hing ihm schräg ins eine Auge. Er trug zerrissene Jeans, ein altes verwaschenes Sweatshirt und darüber ein kariertes Hemd, nicht zugeknöpft. Er war barfuß und sah gut aus.
    »Geht schon. Es ist mir sogar ganz recht. Könntest du den Salat waschen?«
    »Eigentlich nicht«, antwortete Robert, öffnete den Kühlschrank und spähte hinein. »Gibt’s da drin was für mich zu essen?«
    »Nein. Was machen die anderen?« wollte ich wissen.
    »Guter Gott, bei wem soll ich anfangen?« Mit spöttischer Geste zählte er sie an den Fingern ab. »Theo spielt Schach mit Opa Chris. Dad bastelt eigentlich nur an der Sitzordnung rum und delegiert die Plazierung der Teller. Jonah, Alfred und Meredith machen einen Spaziergang; wahrscheinlich wollen sie klammheimlich einen Blick in dieses Zelt da draußen werfen. Hana und Jerry liegen miteinander in der Badewanne. Und so weiter und so fort. Großvater und Großmutter habe ich nicht gesehen.
    Sie sind bestimmt oben in ihrem Zimmer.«
    Es entstand eine Pause. Robert blickte mich gespannt an.
    Ich kippte die Pilze in das heiße Öl. Er wartete auf etwas.
    »Was gibt’s?« fragte ich so neutral wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher