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Der gläserne Sarg

Der gläserne Sarg

Titel: Der gläserne Sarg
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verrät.
    Ein Trommelwirbel kündigt an, daß die Attraktion des Abends unmittelbar bevorsteht.
    »Meine Damen und Herren«, Bob Rints Stimme wird ausdrucksstärker. »Meinen beiden Helfern aus dem Publikum werden nun die Augen verbunden. Dann stellen sie die endgültige Schloßkombination ein. Diese wird dann von mir arretiert. Von diesem Moment an weiß nur ich, welche Zahlenverbindungen Joan Dhiser wieder aus dem Wasser befreien können. Denn wenn die Schlösser in den Ösen hängen, werden die Dame und der Herr – immer noch mit verbundenen Augen – die Einstellungen verändern. Es gibt keine schriftliche Aufzeichnung der richtigen Kombination. Die Zahlen sind nur in meinem Gedächtnis gespeichert. Von dem Zeitpunkt an, in dem der Deckel geschlossen wird, liegt also Joan Dhisers Leben allein in meiner Hand. Nur durch das Öffnen der Schlösser kann sie wieder aus ihrem Gefängnis befreit werden. Das Bassin besteht aus Panzerglas … die Wände können nicht einmal durchschossen werden.« Bob macht eine Pause, um diese Feststellungen auf das Publikum wirken zu lassen. Erst dann fährt er fort: »Und nun bitte ich um Ihren Beifall für Joan Dhiser …!«
    Der Beifall, in den sich auch Bravorufe und Pfiffe mischen, ist so frenetisch, als müßten sich die Zuschauer von einem Alptraum befreien. Eine schöne, schlanke junge Frau tritt in das Scheinwerferlicht vor das Bassin und verneigt sich graziös. Sie trägt einen engen hellgelben Badeanzug, der ihre prachtvolle Figur wie eine zweite Haut umschmiegt. Der Beifall ebbt nicht ab. Immer wieder muß sie sich verbeugen. Noch einmal streicht sie sich über die schwarzen Locken, wirft einen Blick zur rechten Bühnenseite und nickt. Direktor Blondie, der, für das Publikum unsichtbar, zwischen zwei Vorhängen steht, erwidert ihren Blick und drückt ihr beide Daumen. Neben ihm an der Wand lehnt in einem flimmernden Kostüm Jim Dhiser, der bekannte Drahtseilkünstler. Er wirft seiner Frau einen Kuß zu.
    »Sie sind zu beneiden, Jim«, flüstert ihm Blondie zu und neigt sich leicht zu ihm hinab. »Solch eine herrliche Frau … eine einmalige Künstlerin … Sie sind ein Sonntagskind, mein Lieber. Sie müssen doch wunschlos glücklich sein …«
    Jim Dhiser antwortet ihm nicht. Stumm starrt er auf die Bühne und preßt die schmalen Lippen fester als sonst zusammen. Er ist ein mittelgroßer, schlanker, dunkelhäutiger, aber sonst farbloser Mann mit stumpfen grauen Augen und einem Blick, als wäre sein Leben nur eine Hetze nach einem unsichtbaren Phantom. Ihm gegenüber wirkt der große Mister Blondie wie ein Berg, massig, mit etwas aufgeschwemmtem, aber äußerst intelligentem Gesicht, Typ eines Weltmannes, der auch von seiner Wirkung auf Frauen überzeugt ist.
    Joan Dhiser verneigt sich noch einmal. Inspizient Jack Carter gibt letzte Anweisungen. Das grelle Licht der Scheinwerfer gleitet in ein mattes Rot über, langsam ziehen sich die Lichtkegel auseinander und umrahmen das ganze Bassin. Leicht bewegt sich der bis an den Rand stehende Wasserspiegel. Der aufgeklappte, breite Glasdeckel leuchtet wie ein riesiger Rubin.
    Atemlose Spannung liegt über den eintausendzweihundert Menschen. Joan Dhiser steigt graziös auf einer gläsernen Leiter bis zum oberen Rand des Bassins und läßt sich mit einem bezaubernden Lächeln in das leicht aufspritzende Wasser gleiten. Vier Assistenten springen von den Seiten herbei, reißen die Leiter zur Seite, klappen den gläsernen Deckel zu und verlassen dann die Bühne.
    Bob Rint tritt an das Bassin. Er hängt die Vorhängeschlösser in die Ösen, führt dann zuerst die Dame, später den Herrn an das jeweilige Schloß und läßt beide – wie angekündigt – die Kombination zuerst einstellen. Dann arretiert er die Zahlenfolge; gleichzeitig prägt er sich die Zahlen ein. Nun bittet er seine beiden Helfer, die Kombination zu verstellen. Danach nimmt er ihnen die Binden von den Augen und entläßt sie – zurück auf ihre Plätze.
    Langsam geht das Scheinwerferlicht in ein blasses Violett über. Das Wasser spiegelt und flimmert, und in ihm beginnt die bezaubernde Frau – eine Nixe im hellgelben Badeanzug – ihre einmaligen, sensationellen Darbietungen.
    Leise spielt die Kapelle einen schwebenden Walzer. Inspizient Carter hat die Uhr in der Hand und zählt die Sekunden. Fünfzehn Minuten muß Joan unter Wasser bleiben, ohne Luft, ewig lächelnd … fünfzehn lange schreckliche Minuten, die den zwölfhundert Zuschauern vor Erregung und Spannung
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